Der Tuchhändler (German Edition)
würde«, erinnerte ich ihn. Er starrte mir ins Gesicht; plötzlich packte er mich und schob mich mit derselben erstaunlichen Leichtigkeit wie schon in der Kirche vor sich her in einen schattigen Winkel des Hofes. Als wir dort angelangt waren, brachte er sein Gesicht so nah wie möglich an das meine und zischte erstickt: »Wenn Ihr damit andeuten wollt, ich hätte womöglich mit diesem Mord zu tun …«
»Das will ich nicht, um Himmels willen«, sagte ich und machte meinen Arm los. »Tatsächlich kam ich nur her, um Euch klarzumachen, daß die Sachlage keineswegs so einfach ist, wie wir bisher dachten.«
Er schnaubte aus. Mit einem heftigen Kopf schütteln beruhigte er sich wieder.
»Was erwartet Ihr jetzt von mir?« fragte er.
»Daß Ihr die Frist verlängert, die Ihr uns gegeben habt.«
»Weshalb sollte ich dies tun?«
»Weshalb?« rief ich verblüfft. »Die Ausgangsvoraussetzungen für den ganzen Fall haben sich geändert!«
»Inwiefern? Die Gräfin Jagiello wurde ermordet.«
»Aber aus gänzlich unterschiedlichen Motiven …«
»Die Motive«, sagte er unwirsch, »die Motive sind nebensächlich. Es kann sich gut um ein Hirngespinst handeln, das Euch befallen hat; sollte es sich aber so verhalten, wie ihr mir geschildert habt, ist die Ungeheuerlichkeit doppelt groß, die einer Eurer Landsleute begangen hat.«
Sein Sticheln hatte den Erfolg, daß ich meine Argumentation vergaß.
»Warum sollte es denn nicht einer von Euren Landsleuten gewesen sein?« erwiderte ich ärgerlich. »Wenn alle hier so denken wie Ihr, scheint es mir sogar recht wahrscheinlich, daß der Täter in diesen Mauern zu finden ist.«
»Das ist eine Frechheit…«, knurrte er.
Ich ermahnte mich zur Ruhe. »Bitte«, sagte ich drängend und breitete die Hände aus. »Es hat keinen Sinn, uns zu streiten. Ich entschuldige mich für meine Worte. Aber bitte denkt nach und laßt einmal die Ressentiments beiseite: Die Möglichkeit, daß der Mörder einer von Euch ist, ist mindestens genauso groß wie die, daß er einer von uns ist. Auf beiden Seiten gibt es wohl Vorbehalte gegen diese Verbindung. Setzt den Termin aus, den Ihr uns gestellt habt. Ich verspreche Euch, daß uns an der Aufklärung des Verbrechens ebensoviel gelegen ist wie Euch. Was habt Ihr davon, uns einem solchen Druck auszusetzen? Wer so arbeitet, macht Fehler, und ich nehme an, daß wir beide dies gerade vermeiden wollen. Wenn wir genügend Zeit haben, kann ich Vertraute finden, die mir helfen werden; im Moment bin ich ganz alleine. Ich kann mich in Ruhe zuerst bei Euren Leuten umhören und dann in der Stadt. Ich bin sicher, wir werden den Mörder einkreisen und zur Strecke bringen.«
Er dachte nicht einmal über meine Worte nach. »Der Termin bleibt«, sagte er hart.
»Warum denn? Bis die Hochzeit vorüber ist und Ihr nach Hause aufbrecht, um Euren König vom Tod seiner Nichte in Kenntnis zu setzen, vergehen noch drei oder vier Wochen. Ich glaube nicht, daß der Prinzessin das Verschwinden ihrer Base auffallen wird; sie hat genügend mit den Feierlichkeiten zu tun, sobald die Hochzeit erst einmal…«
»Der Termin bleibt«, wiederholte er. Ich unterbrach mich und schaute in sein Gesicht. Was ich sah, ließ mich wissen, daß weitere Worte keinen Sinn hatten. Er hatte uns die Daumenschrauben angelegt, und er genoß es zu sehen, wie sie uns peinigten. Schließlich erwachte mein eigener Stolz.
»Also gut«, sagte ich. »Wie sieht es mit einer Befragung Eures Gefolges aus?«
»Der Schuldige ist nicht hier«, knurrte er hartnäckig.
»Bei Gott«, sagte ich nun genauso hart wie er, »jetzt habe ich genug. Ich schmeiße Euch den ganzen Kram vor die Füße. Ich habe Euer Edeldämchen hinter meinem Haus beerdigt, wie es sich gebührt; ich lasse sie wieder ausgraben und hier mitten auf Eurem von Pferdemist stinkenden Hof abladen, und dann macht mit ihr, was Ihr wollt. Und Ihr könnt sicher sein, daß ich und der Notarius und wenn es sein muß auch der Kanzler schon vor Herzog Ludwig und dem Kaiser stehen, während Ihr noch darüber nachdenkt, an welchem ihrer Gliedmaßen ihr sie auf den Friedhof schleifen sollt. Und was der Herzog und der Kaiser über Eure Rolle in dieser ganzen leidigen Angelegenheit erfahren, wird nicht sonderlich viel Positives enthalten.« Ich atmete schwer, als ich geendet hatte; noch während ich sprach, war meine Wut immer größer geworden. Am liebsten hätte ich ihn in diesem Moment ins Gesicht geschlagen.
»Man kann Euch leicht aus der Reserve locken«,
Weitere Kostenlose Bücher