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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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große dunkle Hunde um die Herden herum und sorgten mit eifrigem Schnappen und heiserem Bellen ebenfalls für Disziplin. Der Treck bewegte sich zäh und stockend voran, kam immer wieder zum Stehen, wenn ein Ochsengespann die Nerven verlor und die Hufe in den Boden stemmte oder ein paar Gänse aus dem Zug ausbrachen, und bog in einer steten Reihe hinter dem Rathaus in die Steckengasse ab. Dutzende von Bürgern standen an der Straße wie ein Empfangskomitee, johlten und klatschten und lachten, und die Scharen von Wappnern, die den Treck links und rechts begleiteten, leisteten mit gebrüllten Befehlen und Flüchen ihren eigenen Beitrag zum allgemeinen Lärm. Das Pflaster war schlüpfrig von den Exkrementen der Tiere, und besonders den aufgeregten Gänsen zog es immer einmal wieder die Füße weg, was von den Umstehenden mit erfreutem Hohngelächter quittiert wurde. Als sich das Gelächter weiter hinten zu einem Beifallssturm steigerte und dazwischen eine Serie von ganz und gar gotteslästerlichen Flüchen zu hören war, wußte ich, daß dort einer der Wappner das Schicksal der Gänse geteilt hatte.
    Hanns Altdorfer kam zu mir zurück und wies auf den Treck.
    »Sie sind pünktlich«, rief er mir ins Ohr.
    »Weshalb? Was ist das?«
    »Das sind die Vorräte für die Hochzeit. Rentmeister Hohenecker hat den Beginn ihrer Anlieferung für den heutigen Tag angefordert. Erstaunlich, daß alles so reibungslos abläuft.«
    »Wo kommen sie her?«
    »Aus dem ganzen Umland. Jedes Landgericht wurde angewiesen, Hühner, Gänse, Lämmer, Spansauen, Kälber und Eier nach Landshut zu liefern. Die Landrichter und Kastner hatten in ihren jeweiligen Bezirken dafür zu sorgen, daß die herzoglichen Bauern und die Stiftsklöster, deren Vogt unser Herzog ist, die angeforderten Vorräte bereitstellten.«
    Die Leute begannen in der Enge zu drängeln, damit ihnen nichts entging. Ich erhielt einen sanften Stoß in die Seite und sah eine magere Frau mit blassem Gesicht, die sich mit einem Bündel an der Brust an mir vorbeidrückte: offensichtlich ein vor nicht allzu langer Zeit geborenes Kind. Zwei weitere Kinder hingen an ihrem Rockzipfel und gafften mit offenen Mündern und laufenden Rotznasen zu den Erwachsenen nach oben. Ich zwinkerte ihnen unbeholfen zu, aber sie zeigten keine Reaktion. Man verlernt den Umgang mit Kindern, wenn die eigenen schon so lange aus dem Hause sind.
    »Wo werden die Tiere hingebracht?« fragte ich den Stadtkämmerer. »Zu den Zehrgaden hinter Peter Oberndorfers Haus in der Steckengasse, wo die Vorräte eingelagert werden; wir haben dort Ställe und auch die Küchen aufbauen lassen. Kennst du die Fleischbänke hinter dem Rathaus? Man mußte sie aufbrechen, um genug Platz zu schaffen und die Anrichten nach vorne heraus stellen zu können. Was dort keinen Platz findet, kommt in die Vorratskammern im Brothaus und im Weinhaus, und der Rentmeister hat selbst den Stadel von Wolfgang Leutgeb angemietet, um alles unterzubringen. Die beiden Küchenmeister wetzen sicher gerade ihre Messer.«
    »Das müssen Hunderte von Gänsen und Lämmern sein; von den Kälbern gar nicht zu reden.«
    »Jedes Gericht hat fünfhundert Gänse und Lämmer zu stellen; dazu alle Spansauen, die in der Zeit anfallen, sowie alle schlachtreifen Kälber. Und das ist nur, was heute anzuliefern ist. Die Landrichter kaufen daneben bei allen Klöstern, Pfarrhöfen und Sedelhöfen an Kapaunen ein, was sie nur bekommen können. Die Jäger und Fischmeister des Herzogs haben Wildbret und Fische zu liefern; seit Tagen sind die Wälder nicht mehr sicher, die Kerle schießen ihre Bolzen in alles, was sich bewegt. Und die Seen um München und der Chiemsee werden vermutlich bald leergefischt sein.«
    Er unterbrach sich. Die Zuschauer begannen zu jubeln und zu pfeifen, und wir versuchten den Grund ihrer erneuten Belustigung zu erspähen. Ein Zugochse war so eng in die Steckengasse eingebogen, daß der vollbeladene Wagen mit der Seite an eine Hausecke prallte und die Bohlen, die als Seitenwand dienten, herabfielen. Einige Büschel Stroh und mit ihnen Hunderte von Eiern rutschten aus dem Wagen und auf den Boden. Was nicht zerbrach und als unappetitlicher Matsch zwischen den Pflastersteinen herumschwamm, wurde von den Umstehenden eilends eingesammelt; die Wappner, die sich die Bäuche hielten vor Lachen, schritten viel zu spät ein. Der Wagenlenker jammerte lauthals, bis er außer Sicht war, und der Treck bewegte sich wieder weiter.
    »Ich wette, dieser Ochse steckt noch

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