Der Tuchhändler (German Edition)
Schreiber streckte den Kopf herein. Altdorfer sah ihn ungnädig an.
»Verzeihung, Exzellenz«, sagte der Schreiber demütig. »Hier ist der herzogliche Futtermeister Pammberger, der Euch sprechen will.«
»Ich habe keine Zeit!« rief Altdorfer. »Der Futtermeister soll ein anderes Mal wiederkommen.«
Der Schreiber machte ein verzweifeltes Gesicht, und ich wußte, daß er selbst schon vergeblich versucht hatte, den Besucher loszuwerden. Er wollte etwas einwenden, aber offensichtlich hatte auch der ungebetene Gast draußen in der Schreibstube des Stadtkämmerers ablehnende Antwort vernommen. Er polterte mit tiefer Stimme:
»Keine Zeit? Das wäre ja noch schöner.«
Er drängte sich an dem Schreiber vorbei zur Tür herein, ein schwerer Mann mit langen grauen Haaren, dessen Beine in mächtigen, kotigen Stiefeln steckten und der den Geruch von Heu und Pferden mitbrachte. Er ignorierte mich vollkommen, baute sich mit der selbstbewußten Arroganz eines herzoglichen Beamten neben dem Tisch Altdorfers auf und grollte: »Ich habe ein Problem, und Ihr werdet mir zuhören, Notarius.«
Die Hofbeamten des Herzogs, mächtige und einflußreiche Männer, waren während der Zeit der Hochzeitsvorbereitungen mit weitreichenden Sonderbefugnissen ausgestattet worden. Das Selbstverständnis eines Stadtbeamten wie des Kämmerers mußte diese Maßnahme hart treffen; dazu brauchte es nicht das großspurige Auftreten eines jener Amtsinhaber. Ein Mann wie Hanns Altdorfer war es sicherlich gewohnt, daß die herzoglichen Beamten grob mit ihm umsprangen; aber zu anderen Zeiten gab es Stellen, bei denen man sich über einen Amtsinhaber beschweren konnte, wenn er seine Grenzen überschritt. Während der Vorbereitungen zur Hochzeit allerdings gab es vermutlich keine Grenzen für die Hofbeamten. Altdorfer starrte den Futtermeister gequält an.
»Ich habe einen Gast«, sagte er.
»Für den Ihr anscheinend genügend Zeit übrig habt. Also habt Ihr diese auch für mich.«
Altdorfer verdrehte die Augen und gab auf.
»Dann sprecht, in Gottes Namen.«
»Es handelt sich um die Pferde der Eingeladenen«, sagte der Futtermeister. »Wir werden sie nicht alle in der Stadt unterbringen. Bei etwa sechstausend Stück ist die Kapazität aller Stadel und Hinterhöfe erschöpft, selbst wenn wir die Ackerbürger im Bereich der Stadt, die Pächterhöfe im Habran und die Ställe des Zisterzienserinnenklosters mit benutzen. Wir rechnen aber mit etwa zehntausend Pferden.«
»Das ist nicht meine Angelegenheit«, stieß Altdorfer hervor. »Der Stellvertreter des Stadtrichters kümmert sich um die Unterbringung der Gäste und ihrer Pferde. Fragt Herrn Trennbeck.«
»Wenn er aufzufinden wäre, jederzeit«, rief der Futtermeister. »Leider scheint es, als hätte er sich versteckt.«
»Richtig«, stöhnte Altdorfer. »Der Kanzler hat ihn schon vor ein paar Tagen nach Eching gesandt, um dort die Unterstellmöglichkeiten für den letzten Aufenthalt des polnischen Hochzeitszuges auszukundschaften.«
»Und nun?«
Hanns Altdorfer zuckte mit den Achseln. Ich folgte dem Gespräch nur mit halbem Interesse und wartete auf eine Möglichkeit, mich zu verabschieden. Der Stadtkämmerer kratzte sich heftig am Kopf und sagte dann zögernd: »Soweit ich weiß, hat man sich mit diesem Problem schon auseinandergesetzt. In den Einladungen wurde die zu erwartende Anzahl der Pferde abgefragt und die Gäste angewiesen, nur die persönlichen Reittiere mit zur Stadt zu nehmen. Troß und Wagenpferde sollten in den Pachthöfen draußen auf dem Land bleiben.«
»Schön, daß man mir das auch einmal sagt«, knurrte der Futtermeister.
»Vielleicht solltet Ihr mit den herzoglichen Schreibern sprechen, wenn Ihr diese denn finden könnt, Herr Pammberger«, sagte Altdorf er mit einem so unüblichen Anflug von Sarkasmus, daß ich aufhorchte. Pammberger brummte etwas, das niemand weiter hinterfragte. Scheinbar fühlte er sich im Augenblick geschlagen. Nach einem Moment wandte er sich wieder an Hanns Altdorfer.
»Wo befinden sich diese Pachthöfe genau, Kämmerer?« fragte er.
»So eingehend bin ich nicht informiert. Es ist eigentlich die Aufgabe von Wilhelm Trennbeck.«
»Nun gut«, brummte der Futtermeister. »Wenn sich jemand des Problems bewußt ist, hat es keine solche Eile mehr. Ich dachte nur, es hätte sich noch niemand darüber Gedanken gemacht.«
»Dann wünsche ich Euch noch einen schönen Tag«, sagte Hanns Altdorfer.
Der Futtermeister überhörte die Verabschiedung, ohne mit der
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