Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
was ich sagte und hörte, ging jedoch durch den Filter Albert Moniwid. Ich war bemüht, die Mimik und Körpersprache der Befragten mit dem zu vergleichen, was Moniwid mir in der lateinischen Übersetzung präsentierte, und ab und zu flocht ich in meine eigenen Sätze Bemerkungen ein, die meinem Gegenüber bei wahrheitsgemäßer Übersetzung bestimmte Reaktionen entlocken mußten. Soweit es sich hierüber nachprüfen ließ, übertrug Moniwid wortgetreu; aber wer vermochte zu sagen, ob er diese kleinen Fußangeln nicht durchschaute und sie übersetzte, anderes jedoch ausließ oder veränderte? Ich biß die Zähne zusammen und hoffte, daß ich es schon bemerken würde, wenn jemand etwas zu verbergen hatte, oder daß Moniwid mit der Zeit unachtsam werden und sich in seinen eventuellen Lügen verstricken würde.
    Ich erfuhr manchen Klatsch über die Hochzeit und deren Hauptpersonen, wie sie sich aus polnischer Sicht darstellten; man konnte den Polen nicht vorwerfen, daß sie mit ihren Ansichten hinter dem Berg hielten. Von mehreren der Ritter wurde mit einiger Bitterkeit erwähnt, daß ihre Prinzessin erst die dritte Wahl für den jungen Herzog gewesen war und daß es edlere (wenn auch nicht so reiche, was die polnischen Recken ebenfalls erbitterte) Anwärter auf die Hand der jungen Frau gegeben habe. Von einer der Frauen, die die Delegation in größerer Zahl begleiteten und die ein bewundernswertes Selbstbewußtsein an den Tag legten, ob sie nun die Gattin eines der Herren waren oder als alleinstehende Edeldame mit einem kleinen Schwärm Zofen in des Herzog Residenz logierten, erhielt ich unabhängig davon eine phantastische Erklärung für die Heiratspolitik König Kasimirs: Ohne vor Albert Moniwid ein Blatt vor den Mund zu nehmen, erwähnte sie verächtlich, die Prinzessin sei wohl kaum mehr eine virgo Intacta (dies war Moniwids lateinische Umschreibung für einen vermutlich viel stärkeren polnischen Ausdruck) und es dürfe niemanden verwundern, wenn sie zur Unzeit einen Nachkommen auf die Welt bringe. Daß die finanzielle Lage des gesamten polnischen Königreichs hinreichend prekär sein mußte, erklärte sich mir durch einige schadenfrohe Bemerkungen, wonach König Kasimir den bayrischen Gesandten die Bezahlung der Mitgift auf Raten in den Ehevertrag diktiert hatte – dies ganz entgegen den Anweisungen, die die herzogliche Delegation erhalten hatte und die deshalb vor Angst schlotternd sich der Unterstützung durch die polnische Königin versichert hatte, welche immerhin eine Base Herzog Ludwigs war. Außerdem wurde mir klar, daß die Polen einen ingrimmigen Ehrgeiz hegten, bei den zu erwartenden Turnieren die bayrischen Ritter von den Pferden zu rennen; beinahe jeder zweite sprach davon, und wie es schien, konzentrierte sich ihr Ehrgeiz auf Herzog Christoph den Starken, den Bruder des Herzogs Albrecht von München, dessen Triumphe in vielen Turnieren die Münder der Männer und die Herzen der übriggebliebenen Jungfrauen füllten. Ich war mit der Zeit geneigt zu glauben, daß die gesamte Delegation aus den unbezähmbarsten Raufbolden unter der polnischen Ritterschaft bestand, ihren Anführer mit eingeschlossen. Die Respektlosigkeit, mit der sie sowohl von ihrem als auch von meinem Souverän sprachen, schien mir diese Annahme noch zu unterstützen und auch, daß sie dabei vor Moniwid keine Scheu an den Tag legten. Ich begann zu vermuten, daß man sie nur deshalb nach Landshut vorausgeschickt hatte, damit sie als Begleitung des Brautzuges in den vielen Städten, durch den dieser zog, keinen Unsinn anstellen konnten.
    Was sich mir nicht offenbarte, war, ob sich der Täter unter den von mir Befragten befand. Ich erfuhr zwischen den Zeilen einige Einzelheiten über die tote Gräfin; zum Beispiel, daß sie sich mit Moniwid über seine Kompetenzen als Anführer der Delegation gestritten hatte. Aber es erschien mir trotzdem nicht wahrscheinlich, daß er der Täter war; ich mochte ihn nicht, aber ich war sicher, daß Moniwid nicht fähig gewesen wäre, einen Mord auszuführen – und noch weniger auf diese Art und Weise.
    Als ich mich von Moniwid verabschiedete, hielt er die Zügel meines Pferdes fest.
    »Was werdet Ihr als nächstes tun?« fragte er.
    »Nachdenken«, antwortete ich knapp.
    »Beeilt Euch damit«, knurrte er und gab die Zügel meines Pferdes frei. »Ihr habt nur noch elf Tage Zeit.« Ich konnte mich nicht zurückhalten und sagte: »Zwölf Tage mit heute.«
    »Natürlich«, erwiderte er und wandte sich ab.

Weitere Kostenlose Bücher