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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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schon in der Stadt nicht ratsam, allein in den verlassenen, nachtdunklen Straßen umherzuspazieren, so galt dies erst recht für eine Pfahlsiedlung außerhalb der Stadtmauern, für die nicht einmal die Gesetze der Stadt galten. Ich hatte mir bislang darüber noch niemals Gedanken gemacht. Ich war ein bulliger Mann, an den sich so schnell kein Gesindel herangewagt hätte, und ich wirkte sicherlich verteidigungsbereiter, als ich es in Wirklichkeit war. Durch mein Pferd hatte ich einen zusätzlichen Vorteil sowohl im Kampf als auch auf der Flucht – wäre in meinem Pferd nur etwas mehr von einem Streitroß und etwas weniger von einem Ackergaul gewesen. Aber auch das konnte man nicht sofort erkennen. Dennoch sah ich mich mit argwöhnischen Blicken um, ehe ich weiterritt. Die schweigende, düstere Gestalt im Fenster, die so offensichtlich auf mein Erscheinen gewartet hatte, hatte mein Gleichgewicht ins Wanken gebracht.
    Das Pferd setzte vorsichtig einen Schritt vor den anderen, während es mich den sanften Abhang hinab und den ersten Häusern entgegentrug. Es hielt den Kopf gesenkt, als könnte es so den Boden besser sehen, und ich verfluchte mich dafür, nicht an eine Fackel gedacht zu haben. Ich hing über seinen Nacken gebeugt und spähte voraus, um auf ein Stolpern des Gauls vorbereitet zu sein. Plötzlich stoppte das Pferd, und ich geriet ins Schwanken. Ich richtete mich auf und sah, daß sich mehrere Gestalten in unseren Weg stellten.
    Es war eine merkwürdige Situation: Ich sah die Männer, aber ich könnte heute noch nicht sagen, wie viele es eigentlich waren; ihr plötzliches Auftauchen aus dem Dunkeln war wie ein Schock. Ich erblickte sie, und mein Magen zog sich zusammen wie eine Faust, das Blut schoß mir aus dem Hirn, und meine Oberschenkel wurden so weich, daß ich ohne die Unterstützung meines Sattels vom Pferd gefallen wäre. Die Männer traten einen Schritt auf mich zu. Das Pferd warf den Kopf zurSeite, machte einen Satz zurück und blieb daraufhin wieder stehen, den Hals nach hinten gereckt. Ich drehte mich wie in Trance um und sah dort eine weitere Gestalt, die mit verschränkten Armen mitten auf dem Weg stand. Mein Pferd schnaubte und war dann still; die Metallteile an seinem Zaum klinkerten noch einen Augenblick nach. Ich hob die rechte Hand vom Sattelrand und schloß sie um den Zügel und merkte, daß keine Kraft in meinen Fingern war. Ich dachte unzusammenhängend: Nun ist es soweit.
    Einer der Männer trat einen weiteren Schritt nach vorne. Eine Armlänge von meinem Pferd entfernt blieb er stehen und sagte deutlich: »Gott zum Gruße, Herr.«
    Ich wollte etwas erwidern und brachte nichts hervor. Er wartete einen Moment, dann fuhr er fort: »Hättet Ihr etwas dagegen, Euch einen Moment mit uns zu unterhalten?«
    Er stand allein vor seinen Kameraden. Ich dachte: jetzt kannst du ihn niederreiten und in wilder Flucht davongaloppieren, und meine Hand zuckte am Zügel, ohne etwas zu bewirken. Der Mann schien meine Gedanken gelesen zu haben. Er faßte mit beiden Händen die Zügel gleich hinter dem Beißstück, und der Augenblick war vertan. Das Pferd schnaubte widerwillig, aber er ließ nicht los, und es fügte sich in sein Schicksal.
    »Worüber?« krächzte ich.
    »Vielleicht über Eure Absichten?« sagte er leichthin. Er hatte einen zähen Dialekt, den ich erst vor kurzem gehört hatte, aber mein Gehirn drehte sich zu sehr im Kreis, als daß ich diesen Gedanken hätte festhalten können.
    »Wie meint Ihr das?« fragte ich.
    »Steigt doch ab, Herr, dann können wir uns besser unterhalten. Meint Ihr nicht?«
    »Den Teufel werde ich tun«, stieß ich hervor. Ich hoffte, daß er nicht merkte, wie meine Stimme fast in meinem Hals erstickte.
    Er machte eine knappe Kopfbewegung, und seine Begleiter rückten näher. Ich blickte mich um; ich war von einem lockeren Ring umgeben. Ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Meine Handflächen juckten plötzlich unerträglich.
    »Es ist unhöflich, wenn Ihr auf dem Pferd sitzen bleibt«, sagte er mit unerschütterlicher Ruhe. Ich schüttelte den Kopf.
    »Bleibt, wo Ihr seid«, keuchte ich, »wenn Ihr nicht wollt, daß mein Gaul Euch die Gesichter zertritt.«
    Der Mann vor mir lachte amüsiert. Plötzlich zog er die Zügel nach unten, und das Pferd mußte den Kopf vor ihm beugen.
    »Ich habe Euren Gaul in der Hand, seht Ihr?« sagte er. »Wenn er etwas tut, dann das, was ich will. Steigt ab.«
    Ich sah zu ihm hinunter. Ich hätte gerne gesagt: Holt mich

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