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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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höchstens einen Schuh an den Kopf werfen, damit du das Maul hältst. Was glaubst du, wo du hier bist?«
    Er ließ die Arme sinken und schnaubte angewidert; er drehte mir noch immer halb den Rücken zu. Ich stieß ein »Jesus, steh mir bei!« hervor, hob den Fuß und trat ihm mit aller Kraft ins Kreuz. Der Stoß ließ mich gegen die Flanke meines Pferdes taumeln; er aber flog förmlich nach vorne, riß beide Arme hoch, prallte in zwei seiner Gesellen und riß sie mit um. Ich wirbelte zu meinem Pferd herum; ich merkte nicht, daß ich einen gellenden Schrei ausstieß. Das Pferd stieg vor Schrecken mit den Vorderbeinen in die Höhe. Irgendwie kam ich halb in den Sattel und strampelte mit den Beinen nach den Steigbügeln. Das Pferd fiel mit den Vorderhufen wieder zur Erde zurück, und ich wurde nach vorne geworfen, quetschte mir mit einem Ruck die Hoden an der Sattelkante, daß es wie ein glühendes Schwert in meine Eingeweide fuhr; ich hing über dem Hals meines Gauls, er warf den Kopf zurück und stieß gegen meine Stirn, aber der Schmerz in meinen Lenden ließ mich alles andere vergessen. Ich holte Atem und brüllte dem Pferd so laut ich konnte ins Ohr: »Lauf!«
    Es wieherte und stieg erneut in die Höhe. Ich rutschte in den Sattel zurück und saß auf einmal so darin, wie es sich gehörte. Undeutlich nahm ich wahr, wie zwei oder drei Männer auf mich zuliefen, aber die wirbelnden Hufe des Pferdes hielten sie auf Distanz. Einem gelang es, nach den Zügeln zu fassen, aber ich riß sie ihm mit einem Ruck wieder aus der Hand. Mein Gaul drehte sich wie verrückt einmal um sich selbst, ich spürte einen Aufprall und sah, wie noch einer der Angreifer zu Boden stürzte, und dann ging der Gaul durch, sprengte mitten durch zwei Männer, die links und rechts da vongeschleudert wurden und sich auf dem Boden überschlugen, und wir waren beide frei. Ich ließ die Zügel schießen und krümmte mich vor Schmerzen, während mich der wilde Galopp im Sattel umherschleuderte.
    Ich hörte, wie mir jemand in wilder Wut hinterherschrie: »Wir kriegen dich, Pfeffersack, wir kriegen dich!«; aber ich drehte mich nicht um, und das wütende Gebrüll wurde schnell leiser und verstummte schließlich. Meine Eingeweide revoltierten, mir war zum Erbrechen übel, und jeder Schrittwechsel des Pferdes fuhr mir mit einem wühlenden Ruck durch den Leib, aber ich ließ dem Gaul die Zügel, und er lief und lief, bis er vor dem geschlossenen Tor meines Hofs haltmachte und mit zitternden Beinen stehenblieb. Ich rutschte aus dem Sattel und fiel neben dem Pferd zu Boden, wo ich ausgestreckt liegenblieb, bis ich wieder zu Atem kam und das quälende Pochen in meinem Unterleib verebbte.
    Als ich wieder ruhig atmen konnte, lag ich noch immer mit dem Rücken auf dem kalten Erdreich und konnte mich nicht bewegen, weil mich die Angst in ihren Krallen hatte. Wie sie aus dem Dunkel aufgetaucht waren. Wie sie mir die Zügel meines Pferdes aus der Hand genommen hatten; wie sie mich in ihrer Gewalt gehabt hatten. Wie sie mir ungerührt gedroht hatten. Ich wünschte mir mit aller Kraft, daß ich dergleichen nicht wieder erleben mußte – ja, daß ich es gar nicht einmal erlebt hatte, daß ich träumte und binnen kurzem in meinem Bett aufwachen würde. Ich hatte schon von Überfällen gehört, sowohl auf Handelskarawanen als auch auf einzelne, doch ich selbst war immer davon verschont geblieben. Es war eine Sache, die den anderen passierte; niemals einem selbst. Ich blieb ausgestreckt auf der Erde liegen, und es schien mir die einzige Stellung zu sein, in der ich das Wanken meiner aus dem Gleichgewicht geratenen Welt nicht spürte. Dann aber begann ich die Kälte zu fühlen, die durch meine Kleider kroch, und die Feuchtigkeit, die an meine Haut drang. Meine Glieder begannen zu schmerzen; ich kroch mühsam auf die Knie, umfaßte ein Vorderbein meines Pferdes und zog mich daran in die Höhe.
    Das Tor war nicht versperrt, die Flügel nur geschlossen. Ich schob einen davon auf und zerrte das Pferd hinter mir in den Hof hinein. Noch während ich das Tor schloß, hörte ich das leise Traben von krallenbewehrten Hundepfoten auf dem festgestampften Boden innerhalb meines Hofes, und ich drehte mich um. Zwei der vier Hunde, die auf dem Hof mit durchgefüttert wurden, standen hinter mir und blickten schwanzwedelnd und mit heraushängenden Zungen zu mir auf. Mein Verwalter hatte sich die Mühe gemacht, sie abzurichten: Einen Fremden hätten sie verbellt und mit entblößten Gebissen

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