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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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herunter, wenn Ihr könnt!; aber ich wußte nur zu gut, daß es ohne weiteres in ihrer Macht stand, mich aus dem Sattel zu holen. Ich hatte Angst davor abzusteigen, und ich hatte noch viel mehr Angst davor, gewaltsam vom Pferd gezerrt zu werden. Ich bewegte meine Beine. Meine Glieder waren steif.
    »Also gut«, sagte ich.
    Es kostete mich Kraft, auf den Boden hinunter zu kommen. Als ich stand, hämmerte mein Herz so gewaltig, daß es mich schmerzte.
    »Nun?« sagte ich und blinzelte; ich rechnete jeden Moment damit, daß sie sich auf mich stürzen würden. Aber alle blieben an ihren Plätzen. Der Mann, der die Zügel meines Pferdes hielt, schien eine Weile nachdenken zu müssen.
    »Wie ist Euer Name, Herr?« fragte er schließlich.
    Ich antwortete: »Wie ist Eurer?«
    Er lachte wieder, und es schien, als würde er verständnisvoll nicken. Dann sagte er scharf: »Euer Name ist Peter Bernward. Ihr seid Kaufmann. Wo ist Euer Geschäft?«
    Ich wiederholte stur:
    »Wie ist Euer Name?«
    »Mein Name ist Wohlbefinden!« zischte er so plötzlich, daß ich zusammenzuckte und das Pferd einen kleinen Sprung zur Seite machte. »Falls Ihr mir sagt, was ich wissen will. Im anderen Fall heiße ich Unbehagen. Äußerstes Unbehagen.«
    Ich wünschte, mir würde irgendeine freche Antwort einfallen; aber alles, was mir durch den Kopf ging, war: laßt mich in Frieden.
    »Fragen wir andersherum«, sagte der Mann. »Ist Euer Geschäft in der Nähe des herzoglichen Zollhauses?«
    Als ich nichts erwiderte, sagte er: »Das war doch eine einfache Frage. Wollt Ihr sie mir nicht beantworten?«
    »Geht zum Teufel.«
    Er grunzte unzufrieden. Ohne jede Vorwarnung ließ er plötzlich die Zügel los, sprang auf mich zu und packte mich vorne am Mantel. Er war ebenso groß und mindestens ebenso schwer wie ich. Er zog mich zu sich heran; ich ruderte erschrocken um Gleichgewicht. Er brachte sein Gesicht vor meines und brüllte mit voller Lautstärke: »Antwortet!«
    Ich zuckte zusammen und sackte gegen seinen Oberkörper. Die Angst und der plötzliche Schrecken über seine Reaktion ließen meine Eingeweide rumoren. Nicht weit entfernt begann ein Hund zu bellen.
    »Nicht so laut«, zischte einer der anderen Männer.
    Er schüttelte mich, und ich gewann so viel Kraft zurück, daß ich wieder alleine stehen konnte. Ich hielt noch immer seine Oberarme umspannt. Unter dem groben Stoff seiner Jacke konnte ich spüren, wie seine Muskeln bebten.
    – Er hat Angst .
    Er hat Angst. Plötzlich konnte ich wieder atmen. Ich holte Luft.
    »Ihr habt mich erschreckt«, sagte ich so ruhig ich konnte, und meine Stimme klang fast normal.
    Er ließ mich los und trat wieder einen Schritt zurück. Sein Gesicht verschmolz mit der Dunkelheit. Ich hatte es versäumt, mir seine Gesichtszüge einzuprägen. Er fuhr sich mit dem Ärmel über die Nase und packte die Zügel meines Pferdes aufs neue.
    »Sprecht, dann passiert so etwas nicht mehr«, knurrte er.
    »Mein Geschäft ist nicht in der Nähe des herzoglichen Zollhauses«, sagte ich.
    »Wo arbeitet Ihr dann?«
    »Überall. Ich kaufe und verkaufe leerstehende Häuser.«
    »Was?« keuchte er. »Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen?«
    »Durchaus nicht.«
    Ich sah, wie er den Kopf schüttelte und einen Blick zu einem der anderen Männer sandte. Ich folgte seiner Kopfbewegung, aber ich konnte den anderen noch weniger erkennen als ihn. In meinem Mund formten sich bereits die nächsten Sätze, die ich vorbringen wollte; ich mußte mich krampfhaft daran hindern, sie hervorzusprudeln.
    »Nun werdet Ihr mir sicher sagen, was Ihr von mir wollt?« fragte ich und bemühte mich, soviel Sicherheit wie möglich in den Klang meiner Stimme zu legen. Im Moment war er zu verblüfft; das und die Erkenntnis, daß er ebensolche Angst hatte wie ich, gab mir die Oberhand. Meine Furcht war nicht weniger geworden, aber nun gelang es mir, sie zu beherrschen.
    »Ich stelle die Fragen«, rief er aufgebracht.
    »Im Moment nicht mehr ...«, sagte ich und hätte mir gleich danach auf die Zunge beißen mögen. Er trat wieder auf mich zu und hob die Hand. Es gelang mir, nicht zurückzuzucken.
    »Halt’s Maul!« schrie er.
    »Sprich doch leise, um Gottes willen!« drängte einer der Männer. Er fuhr herum und breitete beide Hände aus.
    »Warum denn!?« zischte er. »Denkst du, es kommen gleich die braven Bürger herausgerannt, um nachzusehen, ob sie jemandem helfen können? Du kannst hier die ganze Nacht liegen und vor Schmerzen schreien, und sie werden dir

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