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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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Es machte ihm nichts aus. Offen gestanden hatte er keine Ahnung, worüber sie da redeten; es war, als ob sie chinesisch sprächen.
    Bis zu diesem Moment hatte er keinen blassen Schimmer gehabt, wie viele verschiedene Sorten von Spitzen es gab: Klöppelspitze, Nadelspitze, venezianische Spitze, Brüsseler Spitze, Colbert-Spitzen. Und wie es schien, musste man sich auch Gedanken über den Blumenschmuck in der Kirche machen. Eine Unachtsamkeit konnte schlimme Folgen haben, erklärte ihm Rosarios Mutter. Keine gelben Nelken, denn die standen für Geringschätzung. Keine Geranien, denn das verhieß Traurigkeit. Maiglöckchen waren ein Hinweis auf die Einfältigkeit der Braut, Narzissen verrieten ihre Selbstsucht … Es war eine weibliche Gedankenwelt, die er bislang nicht einmal gestreift hatte. Unbedarft, wie er war, überließen sie ihm keine einzige Entscheidung.
    »Kann ich nicht irgendwie behilflich sein?«, fragte er.
    »Es reicht, wenn du rechtzeitig in der Kirche erscheinst«, lautete die Antwort seiner Mutter.
    Wenn er sich schon nicht um die Hochzeit kümmern konnte, beschloss er, Pläne für die Zeit danach zu schmieden. Das erschien ihm wesentlich reizvoller. Er erinnerte sich, dass seine Großeltern ein Haus in Carmona besaßen. Er war zuletzt als Kind dort gewesen und fand, dass nun ein guter Zeitpunkt war, ihm einen Besuch abzustatten.
    Bei seiner Ankunft fand er das Haus in einem desolaten Zustand vor. Das Grundstück war von Unkraut überwuchert, der Brunnen war nicht mehr zu sehen, von den Wänden bröckelte der Putz, und das Dach war teilweise eingefallen. Doch von der Liebe beflügelt, gab er die Hoffnung nicht auf, das Haus für ihre Flitterwochen herrichten zu können und es in Zukunft als Sommerhaus zu nutzen. Er beauftragte eine Reihe von Handwerkern damit, die Deckenbalken zu verstärken, Fenster- und Türrahmen auszutauschen, Wände und Dach auszubessern und den Brunnen wieder in einen ordentlichen Zustand zu versetzen, wie er ihn aus seiner Jugend kannte. Er hatte keine Bedenken, Geld dafür auszugeben, weil er es für eine Anschaffung hielt, an der er lange Freude haben würde.
    Er bestellte Butzenscheiben für die Fenster, Emailfliesen im arabischen Stil für die Wände, Marmor für die Böden und die Säulen am Eingang, vergoldete Türklinken und einen Springbrunnen mit Schwänen für den Patio. Er stellte mehrere Gärtner an, die Rosen, Minze, Jasmin und Zitronenbäume pflanzten, kaufte Eichenholzmöbel, Bronzeleuchter und Perserteppiche. Die Nachbarn bekamen mit, dass im Haus von Señor Juan Nepomuceno wieder Leute ein- und ausgingen, und steckten die Köpfe zusammen. Der ganze Prunk erregte ihr Misstrauen. Sie kamen zu dem Schluss, dass die neuen Bewohner hochnäsige Angeber waren, und wollten nichts mit ihnen zu tun haben.
    Rosario war das alles egal. Sie überließ die Details der Hochzeit ihrer Mutter, Doña Julia und Mamita Lula. Sie interessierte sich auch nicht sonderlich für das, was ihr zukünftiger Mann auf dem Landsitz trieb. Ihr einziges Augenmerk galt der Druckerei. Sie verbrachte den ganzen Tag dort, beobachtete die Angestellten bei der Arbeit, lauschte den Maschinen, erfreute sich an den fertigen Büchern und Zeitungen.
    Zu diesem Zeitpunkt ahnte Abel noch nicht, dass in ihr eine Idee heranreifte. In den kommenden Jahren würde seine Frau das Druckergeschäft revolutionieren und das erste Frauenjournal der Stadt mit dem Titel
Die unbeugsame Rose
herausgeben, in dem es um Musik, Konzerte, Ausstellungen und Mode ging. Es gab auch einen Teil, dessen Anspruch es war, Lösungen für häusliche Probleme zu finden.
    »Die Frau ist die Bewahrerin des Hauses und die Hüterin ihrer Kinder«, erklärte sie in ihren Artikeln.
    »Genauso verrückt wie Abel«, murmelte Mamita Lula vor sich hin. »Einer wie der andere.«
    Sie heirateten an einem Frühlingstag in der Kathedrale vor über zweihundert geladenen Gästen und ebenso vielen Schaulustigen, die sich nicht entgehen lassen wollten, wie die Tochter des Marquis de Gelo den Sohn des Piraten heiratete. Cristóbal Zapata, den Doña Julia persönlich eingeladen hatte, zog zur Feier des Tages seinen einzigen Anzug an, doch sie würdigte ihn während der ganzen Festlichkeit keines Blickes.
    Die frisch Vermählten reisten zu dem eigens hergerichteten Haus in Carmona. Seine Braut auf dem Arm, stieß Abel die Tür auf, und sie taumelten die Treppe hinauf. Rosario lachte in einem fort. Sie konnten nicht ahnen, dass Abels Großeltern und später

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