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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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der reglosen Miene ihrer Tochter setzte sie hinzu: »Er ist zum Tee zu uns gekommen, um dich näher kennenzulernen.«
    Sie setzten sich in den Patio. Mamita Lula brachte ein Tablett mit Gebäck und einen Krug gut gekühlter Limonade, woraufhin sich Julias Mutter und Don Diego in ein Gespräch darüber vertieften, wie schwierig es war, die Stadt mit Eis zu beliefern.
    »Es wird bis aus Constantina geliefert«, erklärte der Witwer. »Man hat drei Keller gegraben, wo in den Winternächten der Schnee gesammelt wird. Schließlich wird der Schnee in Tragkörben abtransportiert und in die Lager gebracht, wo von geistigen Getränken erwärmte Männer ihn so lange treten, bis er sich in Eisblöcke verwandelt. Wenn Luft in die Eisblöcke gelangt, schmelzen sie«, erklärte er. »Dann werden sie öffentlich versteigert. Dieses Jahr hat der Verkauf früher stattgefunden, weil eine solche Hitze herrscht«, sagte er, während er einen Schluck Limonade aus seinem Glas nahm und sich die schweißnasse Stirn mit einem Taschentuch abwischte, bevor er fortfuhr. »Sechs Reales kostete der Eisblock! Ich habe zwanzig gekauft.«
    »So viel Arbeit, um das Wasser hart zu machen.«
    Es war der erste Satz, den Julia an ihren zukünftigen Ehemann richtete. Er brach in schallendes Gelächter aus und ließ dabei in seinem weit geöffneten Mund einige löchrige, lückenhafte Zähne sehen.
    »Das Mädchen ist so unbedarft … Das arme Ding weiß nichts vom Leben«, sagte ihre Mutter und sah sie verschmitzt an.
    »Diese Naivität ist entzückend«, bemerkte Don Diego López de Haro mit hingerissener Miene.
    Danach begann Julia ihre Worte abzuwägen, damit man nicht noch einmal über sie lachte. In den nächsten Monaten bemühte sie sich sehr um eine ernsthafte Haltung, das Kinn hochgereckt, ein zurückhaltendes Lächeln auf den Lippen, das keine Zähne sehen ließ. Sie brauchte sich nicht einmal sonderlich zu verstellen, denn vor lauter Bemühen um Ernsthaftigkeit wurde sie zunehmend mürrisch.
    Nachdem Don Diego López de Haro sich an jenem Nachmittag verabschiedet hatte, breitete ihre Mutter die Vorzüge des Witwers vor dem Mädchen aus wie einen Fächer. So eine hochgeistige Arbeit, der Besitzer der angesehensten Druckerei der Stadt, stell dir nur vor, alle Mädchen im heiratsfähigen Alter werden dich beneiden, wo du doch so gerne Bücher liest, Julita.
    »Sie wollen, dass ich Don Diego heirate?«
    »Nur, wenn es auch dein Wunsch ist.« Ihre Mutter nahm ihre Hand und tätschelte sie. »Aber du solltest bedenken, dass die Zeiten schlecht sind. Es wird zunehmend schwerer, anständige Männer zu finden, und wenn du nicht aufpasst, wirst du als alte Jungfer enden, wie die Tochter von Doña Elvira, die Ärmste geht schon auf die Dreißig zu und ist immer noch ledig … Na ja, angeblich nicht so ganz, sie hat schon ihre Erfahrungen gemacht … Jedenfalls hat die Ärmste einen ziemlichen Bartflaum, darin kommt sie nach ihrem Vater. Aber du bist bildhübsch …« Sie fasste ihre Tochter am Kinn und sah sie fest an. »Man muss die Gelegenheiten beim Schopf packen, Julita.«
    »Aber dieser Mann ist uralt, und ich …«
    »Ach Gott, das ist doch ein Vorteil«, unterbrach ihre Mutter sie. »Dann hat er wenigstens klare Vorstellungen. Nicht wie bei mir: Ich habe einen Mann in meinem Alter geheiratet, und bis ich den zurechtgebogen hatte …«
    »Willst du auch, dass ich den Drucker heirate, Vater?« Julia sah ihn verzweifelt an, während beide die Blicke der Mutter auf sich spürten.
    »Er ist ein guter Kerl«, murmelte Don Juan Nepomuceno mit gesenktem Kopf. Er bedauerte es, dass er nicht den nötigen Mumm hatte, seiner Frau zu widersprechen und sie anzuhalten, das Mädchen in Ruhe zu lassen.
    ***
    DIE HOCHZEITSVORBEREITUNGEN DAUERTEN DREI Monate, Zeit, die Don Diego für die althergebrachte Brautwerbung nutzte, die an fünf bestimmten Tagen stattfand. Am Tag der Kapitulation schenkte er seiner Zukünftigen eine brillantenbesetzte Repetieruhr aus blauem Email. Am Tag des Aufgebots sechs Rosen aus Türkisen. Zur Kirchweih einen Strauß italienischer Blumen, zwei Korallenringe und eine Auswahl von Bändern und am Hochzeitstag eine große Truhe mit einem kostbaren, silberbestickten Kleid, zwei englischen Fächern und Perlenschmuck.
    »So einen großzügigen Bräutigam hat es noch nie gegeben!«, frohlockte die Brautmutter.
    Julias Familie bot als Mitgift ein Tafelservice, ein Silberbesteck, zehn Kerzenleuchter, zwei linnene Tischtücher, mehrere

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