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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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Sevilla entstand, die angesichts des entstandenen Machtvakuums im Namen des abgesetzten Königs das Land regierte. Sie führten lange Diskussionen über die politische Zukunft Spaniens, denn es gab zwei unterschiedliche Positionen. Die erste wurde von Jovellanos und seinen Anhängern vertreten, die vorschlugen, den vorabsolutistischen Zustand wiederherzustellen. Der zweite Vorschlag sagte Abel mehr zu. Dieser plädierte für die Ausarbeitung einer Verfassung, welche die Rechte und Freiheiten aller Bürger garantierte und ein politisches System schuf, das die Privilegien der Monarchie zugunsten von Bürgervertretungen einschränkte.
    Guiomar hingegen fand den Ausbruch des Krieges nicht so dramatisch, konnte sie doch dadurch eher nach Carmona reisen und ihren Marquis wiedersehen. Die Liebe hatte sie völlig blind gemacht für den Konflikt, der das Land auf den Kopf stellte. So oft hatte sie von dem Moment geträumt, da sich ihre Blicke wiederbegegnen würden, dass sie sich über ihre eigene Reaktion wunderte, als sie einander endlich gegenüberstanden. Ventura kam ihr viel größer und schlanker vor, seine Haut brauner, das Haar dunkler und lockiger und die Augen viel schwärzer, als sie sie in Erinnerung hatte. Guiomar errötete, und statt sich in seine Arme zu werfen, wie sie es sich ausgemalt hatte, zwang sie etwas dazu, ihm förmlich die Hand zu reichen. Ventura sah sie belustigt an.
    »Was machst du da? Das hat man davon, wenn man sich in ein feines Fräulein verliebt«, sagte er, bevor er seine Arme um ihre Taille legte und sie leidenschaftlich auf den Mund küsste.
    Ab diesem Tag fing Guiomar wieder an, sich im Haus ganz unauffällig zu verhalten, damit niemand auf die Idee kam, dass sie ein Doppelleben führte. Tagsüber saß sie auf der Veranda, zeichnete, stickte und las Gedichte. Sie wartete sehnsüchtig, dass es Zeit zum Abendessen wurde, und ließ ungeduldig die endlosen Gespräche nach Tisch über sich ergehen. Wenn sich ihre Mutter endlich zurückzog und sich versicherte, dass sämtliche Lichter im Haus gelöscht waren, ging Guiomar auf ihr Zimmer. Sie wartete am Fenster, während sie dem nächtlichen Konzert der Grillen und Zikaden lauschte, auf Ventura. Wenn sie seine Gestalt im silbernen Mondlicht, das über der Landschaft lag, auftauchen sah, stieg sie aus dem Fenster und kletterte an dem Zitronenbaum nach unten. Ventura erwartete sie stets an derselben Stelle vor dem Zaun, hinter den Büschen, auf dem Rücken seines schwarzen Pferdes, das nach Freiheit roch.
    Die Liebe verlieh ihnen die nötige Kraft, um dieses anstrengende Leben durchzustehen. Zu Guiomars Leidwesen konnten sie sich dennoch nicht jede Nacht sehen. Da Spanien keine Armee besaß, die diesen Namen verdiente, nahmen der Marquis und seine Leute gemeinsam mit anderen Zivilisten, die nur mit Stöcken und Macheten bewaffnet waren, den Kampf gegen die Franzosen auf. Ihre Taktik, die im ersten Moment wenig aussichtsreich erschien, stellte sich bald als außerordentlich wirkungsvoll heraus.
    Ventura wandte im Kampf an, was Guiomar ihm im Schachspiel beigebracht hatte. Er war in der Lage, die Schwächen seines Gegners zu erahnen und seine nächsten Schritte vorauszusehen, so dass er ihm stets zuvorkommen konnte. So erwarb er sich den Ruf eines hervorragenden Strategen. Er erkannte, dass die Franzosen unter der sengenden Hitze des Südens litten, sich im unwegsamen Gelände der Sierra nicht sonderlich gut zurechtfanden und die Überrumpelungstaktik der Spanier ihnen zu schaffen machte. Er wusste die Möglichkeiten zu nutzen, die ihm zur Verfügung standen.
    Dass sie selbst zahlenmäßig klar unterlegen waren, fand Ventura nicht entscheidend. Seine Männer kannten das Gelände. Sie setzten den gegnerischen Truppen mit schnellen Überraschungsangriffen zu und verschwanden dann wie ein böser Traum in einer Staubwolke zwischen den Felsen, während die Franzosen entgeistert hinterherschauten und sich fragten, ob der Angriff wirklich stattgefunden hatte. Die Taten des Marquis und seiner Bande gingen von Mund zu Mund und wurden sogar von den Kindern auf den Plätzen besungen.
    Auf seinem Pferd jagt herbei
    der tapfre Ventura Marqués.
    Es zittern vor Angst die Franzosen
    als ob der Leibhaftge er sei!
    Die spanische Armee beschloss, ihn zum Hauptmann der Kavallerie zu machen. Seine Aufgabe war es, die Kommunikation und die Versorgung der französischen Truppen in der Gegend um Sevilla zu unterbinden. Der Marquis und seine Leute fingen Briefe ab,

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