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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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Produkten auf dem europäischen Festland verboten, doch die Portugiesen hielten sich nicht an die Blockade. So beschloss man, das Land zunächst zu erobern und dann zu teilen.
    Fassungslos beobachteten die Spanier, wie über sechzigtausend Soldaten mit ihren Kanonen und Bajonetten und blau-weiß-roten Fahnen durch die großen Städte des Landes zogen. Sie führten sich auf, als gehörte die Straße ihnen, forderten Unterstützung und verursachten gewaltige Verpflegungskosten. Napoleon, der nie etwas ohne Hintergedanken tat, wollte die Situation in seinem Sinne nutzen. Er hatte schon länger die Absicht gehabt, die Bourbonenmonarchie zu entmachten, denn er war überzeugt, dass jedes halbwegs vernunftbegabte Volk danach lechzte, sich von einer Herrscherfamilie zu befreien, die unfassbare moralische Dekadenz gezeigt hatte.
    Doch darin irrte er. Spanien war die Heimat Don Juans, das Land der feurigen Blicke und der Messer am Gürtel. Hier wurden alle Leidenschaften bis zur Neige ausgekostet, ganz gleich, ob in der Liebe oder der Vaterlandstreue, und sei es nur um des Widerstands willen. Napoleon glaubte, die Spanier wären begeistert von der Vorstellung, ihr eigener Herr zu sein, wie es bei seinen Landsleuten der Fall gewesen war. Ihm war nicht klar, dass die Spanier bereit waren, für ihre Herrscher zu sterben, selbst wenn diese jahrelang auf Kosten ihrer Untertanen gelebt hatten.
    Die Bevölkerung hatte schon bald genug von den französischen Uniformen auf den Straßen. Es wurde gemunkelt, die Franzosen wollten das Land besetzen. Die königliche Familie fürchtete das Schlimmste und zog sich in den Palast von Aranjuez zurück, in der Annahme, von dort könnten sie, falls sich die Lage verschärfte, ohne Probleme nach Sevilla entkommen, um mit dem Schiff nach Amerika zu fliehen.
    Napoleon zwang das Königspaar, die spanische Krone an seinen Bruder Joseph Bonaparte abzutreten, und erregte damit endgültig den Volkszorn. Die Empörung breitete sich wie eine Welle aus und mündete in einen Aufstand des Volkes. Es hatte seine Wahl getroffen: Krieg!
    ***
    ALS SICH DIE EREIGNISSE DERART ÜBERSTÜRZTEN, erkannte Abel, dass seine Familie auf dem Land sicherer war. Er schickte seine Frau und seine Tochter mit einem Großteil des Personals nach
Las Jácaras
, während er selbst mit Monsieur Verdoux und Bruder Dámaso in Sevilla blieb und versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen, das nach dem Aufstand ausgebrochen war. Bei ihren Treffen im Patio der Druckerei sprachen sie nicht länger über Literatur, und selbst die Suche nach dem Kapitulationsvertrag war nicht länger Gesprächsthema zwischen ihnen.
    Sie hofften zwar immer noch darauf, eine weitere Ausgabe der
Siete Partidas
zu finden, die einen entscheidenden Hinweis enthielt, doch das Wichtigste in jenen Tagen war die Politik und die Debatten über die Zukunft ihres Landes.
    Die Intellektuellen, die sich nicht von den flammenden Reden der Populisten mitreißen ließen, trafen sich in der Druckerei, um über Lösungen zu diskutieren. Während die meisten dafür plädierten, die französischen Truppen so schnell wie möglich zu vertreiben, befürworteten die so geschmähten »Franzosenfreunde« die Herrschaft Joseph Bonapartes, weil sie der Ansicht waren, dass mit ihm der frische Wind der Revolution Einzug halten würde. Unter ihnen waren zahlreiche gebildete, kultivierte Persönlichkeiten, Gelehrte und hohe Beamte, die zutiefst überzeugt waren, eine Gesellschaft auf der Basis von Vernunft, Gerechtigkeit und Freiheit schaffen zu können.
    Aber sie waren eine Minderheit in einer Gesellschaft, die gespalten war zwischen den Befürwortern des Absolutismus, die sich für die Rückkehr Ferdinands  VII . einsetzten, und den Liberalen, die zwar die Ideale der Revolution vertraten, aber nicht hinnehmen wollten, dass diese von den Franzosen gebracht wurden. Auf alle Fälle waren beide Parteien erklärte Gegner der Besatzung.
    Abel beteiligte sich an der Ausarbeitung eines Statuts, das die Pressefreiheit, die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte sowie die Einführung einer einheitlichen Rechtsprechung für alle Bürger forderte. Zudem sollte die Folter verboten und besonderer Wert auf allgemeine Bildung gelegt werden. Er und zahlreiche seiner Freunde aus den literarischen Zirkeln verfassten eine Erklärung, in der sie die Verantwortung für den Neuaufbau des Staates nach dem Krieg übernahmen.
    Sie bildeten eine regionale Junta, aus der die
Junta Suprema Central
mit Sitz in

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