Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
Vom Netzwerk:
Initialen bestickt waren.
    Ventura hatte noch nie in einem solchen Bett geschlafen. Für ihn war es der größte Luxus gewesen, in einer lauen Sommernacht auf einer weichen Schafwolldecke zu liegen und einzuschlafen, während er die Sterne zählte und dem Quaken der Frösche lauschte. Plötzlich fühlte er sich ihrer unwürdig und war versucht, wieder zu gehen, bevor sie merkte, wie wenig er ihr zu bieten hatte. Doch als er in Guiomars Augen blickte, war all das völlig vergessen. Die beiden sanken aufs Bett, um sich im Kerzenschein Zärtlichkeiten ins Ohr zu flüstern. In dieser Nacht entdeckten sie, wie es war, sich in aller Ruhe auf einer weichen Matratze und unter linnenen Laken zu lieben.
    In den nächsten Wochen lernten sie jede einzelne Linie ihrer Körper kennen, geheime Leberflecke, Muttermale, jene Stellen, wo der Körper am empfindsamsten ist. Ventura liebte sie jedes Mal, als wäre es das letzte, und wenn die Morgenröte am Horizont erschien und sie sich verabschieden mussten, empfand Guiomar es auch so. Während Ventura den Zitronenbaum hinabkletterte, stand Guiomar am Fenster, das lange, lockige Haar gelöst, und sah ihm hinterher, wie er dem Horizont entgegenritt.
    Doch auch als das Wetter wieder besser wurde, sahen sie keinen Anlass, in die Höhlen von La Batida zurückzukehren. Sie hatten sich an die Bequemlichkeit gewöhnt, und trotz der vielen Monate, die vergangen waren, konnten sie immer noch nicht genug voneinander bekommen. Es grenzte an ein Wunder, dass die Dienstmädchen nie etwas vom Kommen und Gehen des Marquis mitbekamen. Alles ging gut, bis sie eines Morgens so erschöpft waren, dass sie nicht wie üblich von den ersten Sonnenstrahlen geweckt wurden, sondern verschliefen.
    Rosario war an diesem Tag früh aufgestanden. Da schönes Wetter war, bat sie das Küchenmädchen, das Frühstück auf der Terrasse zu servieren, weil sie gerne auf die Landschaft blickte, während sie Kaffee trank und ihr Brot aß. Plötzlich hörte sie ganz in der Nähe ein Wiehern. Erschreckt stand sie auf und ging vorsichtig zum Zaun. Dort entdeckte sie ein unbekanntes Pferd, das gesattelt an einem Baum festgebunden war. Der Schrei blieb ihr im Hals stecken. Überzeugt, dass ihre Tochter erneut in großer Gefahr war, rannte sie zum Haus zurück und stürzte die Treppe hinauf. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
    Als sie versuchte, Guiomars Zimmertür zu öffnen und feststellte, dass sie abgeschlossen war, begann sie zu zittern. Sie hörte Geräusche von drinnen, hastige Schritte, Flüstern, das Fenster, das geöffnet wurde … Alarmiert von Rosarios Geschrei, kamen die Dienstmädchen herbeigerannt, und gemeinsam versuchten sie, das Schloss mit einem Kerzenleuchter und mit dem Besen aufzubrechen. Bis Guiomar plötzlich von innen öffnete. Das Nachthemd war noch nicht wieder ganz zugeknöpft, ihr Haar war zerwühlt.
    »Was ist los?«, fragte sie, während sie gähnte und sich streckte. »Was ist das für ein Lärm?«
    Die Frauen schauten ins Zimmer und sahen, dass das Fenster offen stand. Die Vorhänge flatterten im Wind wie erschreckte Gespenster. In der Ferne war Hufgetrappel zu hören, das sich rasch entfernte. Rosario sah ihre Tochter zuerst fragend an, doch als sie die Situation erfasste, packte sie die Wut. Sie machte auf dem Absatz kehrt und befahl den Mädchen, zu packen.
    »Wir fahren zurück nach Sevilla«, verkündete sie und klatschte zweimal in die Hände. »Und zwar schnell.«
    ***
    GUIOMAR WEIGERTE SICH STANDHAFT, den Namen ihres Geliebten zu verraten, so sehr ihre Mutter auch drohte, es ihrem Vater zu sagen. Die ganze Fahrt von Carmona nach Sevilla schluchzte sie vor sich hin, weil sie fürchtete, Ventura nie mehr wiederzusehen. Er würde glauben, sie habe ihn verlassen, und vielleicht aufhören, sie zu lieben.
    Doch Rosario ließ sich von den Tränen ihrer Tochter nicht erweichen. Sie fühlte sich hintergangen, war ausgelaugt von diesem vermaledeiten Krieg und fühlte sich von ihrem Mann im Stich gelassen. Zudem war sie es leid gewesen, nicht in der Druckerei zu sein und ihre Projekte fortsetzen zu können. Eigentlich kam ihr die Rückkehr in die Stadt ganz gelegen, auch wenn sie Guiomar die Schuld an allem gab.
    Rosario wollte Abel gleich bei ihrer Ankunft in Sevilla berichten, was vorgefallen war. Doch als sie seine bedrückte Miene sah, wurde ihr klar, dass die Verrücktheiten einer Jugendliebe eigentlich ein Segen waren in Zeiten, in denen Krieg und Hass regierten. Also erklärte sie Abel, sie

Weitere Kostenlose Bücher