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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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sie, ohne ein Wort zu sagen, über die Risse, als wollte er die Wände dadurch stützen. Allmählich war Julias Geduld am Ende.
    »Wären Sie wohl so gut, uns das zu erklären, guter Mann?«
    »Wenn das Papier reißt, heißt das, dass die Wände nachgeben«, erläuterte er. »Und dann wird das Haus unweigerlich einstürzen. Da kann selbst der beste Maurer nichts mehr ausrichten.«
    »Und wenn es nicht reißt?«, fragte León, der gefasster war.
    »Tja … Wenn es in ein, zwei Wochen noch ganz ist, fange ich mit den Reparaturen an«, erklärte er.
    Das Papier riss nicht, und das Ehepaar machte sich an dem Tag auf den Weg nach Carmona, als ein Tross von Zimmerleuten, Gipsern, Klempnern und Malern mit Handleitern, Hämmern und reichlich Komplimenten für die Dienstmägde anrückte.
    »In diesem Haus wird nicht gelärmt«, mahnte Mamita Lula, die dableiben würde, um die Arbeiten zu überwachen. »Dass die Herrin nicht da ist, heißt nicht, dass ihr eure Arbeit nicht gut macht. Das wollen wir ja mal sehen! Diesen jämmerlichen weißen Taugenichtsen mit dem losen Mundwerk werde ich Beine machen. Fahren Sie ruhig, die stutze ich mir schon zurecht.«
    Bevor sie sich verabschiedete, händigte Julia Mamita Lula zwanzigtausend Reales aus, damit sie nach Abschluss der Arbeiten die Möbel kaufen konnte, die sie für passend hielt. Den Handwerkern trug sie auf, das Haus so wiederherzustellen, dass ihm nicht einmal das schlimmste Erdbeben mehr etwas anhaben konnte. Sie wollte, dass es tausend Jahre stand. Der Patio sollte strahlend weiß gestrichen und die Fenster vergrößert werden, damit der Frühling ins Haus gelangen konnte. An den Wänden sollten Zierkacheln mit den neuesten und farbenfrohsten Ornamenten angebracht werden, die es in der besten Keramikfabrik von Triana gab. Sie wollte, dass ihr Haus ihr neues, von Licht erfülltes Leben widerspiegelte.
    Die Frischvermählten verbrachten die darauffolgenden Wochen wie in einem Rausch, der sie so blind machte, dass sie nicht einmal bemerkten, wie sehr das Haus in Carmona im Laufe der Jahre heruntergekommen war. Überall wucherte Gestrüpp, selbst auf den Wegen. Von den Rosen, die früher an der Umfassungsmauer gewachsen waren, war nichts mehr zu sehen, und das Haus ragte wie ein unwirkliches Trugbild aus bröckelndem Putz, zerbrochenen Ziegeln und windschiefen Fensterläden aus dem Dickicht empor. Hinter dem Eisengitter, von dem das Grundstück umgeben war, nahm León seine Frau auf die Arme. Vorsichtig stieg er über das Unkraut, unter dem der Weg verschwunden war, und stieß mit der Schulter die Haustür auf. Er brauchte nicht sehr fest zu drücken, denn sie war verwittert, durchlöchert und hing schief in den Angeln.
    Sie traten über die Schwelle, ohne zu merken, dass der Fußboden mit Erde, Blättern und Unkraut bedeckt war und Efeuranken an den alten Familienporträts emporkletterten. León sah seine Frau aus seinen meerblauen Augen an, während er sie über die Holzstiege nach oben trug. In ihrer mühsam beherrschten Leidenschaft hörten sie das beunruhigende Knarren der Bretter unter ihren Füßen nicht. Sie achteten nicht auf den muffigen, feuchten Geruch, die Wasserschäden, die schimmligen Wände, die streunenden Hunde und Katzen, die erschreckt das Weite suchten, als sie sahen, dass die Menschen zurückgekehrt waren, um ihnen ihr Domizil streitig zu machen. Im Schlafzimmer sanken sie auf das alte, schmiedeeiserne Bett, das schon Julias Eltern benutzt hatten.
    Das Licht, das am nächsten Morgen durch ein Loch in dem mottenzerfressenen Vorhang fiel und Julia aufweckte, glich einem sirrenden Bienenschwarm. In der Luft schwebten winzige Staubkörnchen. Sie wollte sich nicht bewegen, um León nicht zu wecken. Er lag hinter ihr. Sie spürte, wie sein Brustkorb bei jedem Atemzug ihren Rücken streifte. Er hatte einen Arm um ihre Hüfte geschlungen. Sie sah zu dem schweren Kleiderschrank mit dem ovalen Spiegel. Er hatte seinen ursprünglichen Glanz verloren, und einige schwarze Flecken verrieten, wo sich die Silberschicht abgelöst hatte, aber sie konnte sich darin erkennen. Das zerwühlte Haar, die glänzenden Augen, die kühle Haut … Und sie gefiel sich. Sie war sich sicher, dass sie sich nie wieder verstellen musste und endlich ihren Platz im Leben gefunden hatte.
    ***
    DREI MONATE SPÄTER KEHRTEN sie nach Sevilla zurück. Mamita Lula erwartete sie in der Tür der Druckerei, zufrieden und begierig darauf, ihnen das neue Haus zu zeigen. Nichts mehr deutete auf das

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