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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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Stein von der Wand und fuhr mit den Fingern die Umrisse nach.
    »Und das hier, was bedeutet das?«, fragte sie plötzlich.
    Sie hatte das Relief umgedreht. Auf der Rückseite war eine Kombination aus Buchstaben, Ziffern und Zahlen in gotischen Lettern zu erkennen.
    »Kd2++«, las Julia langsam. »Was ist Kd2++?«
    »Das ist ein Schachzug«, sagte León überrascht.
    »Ein Schachzug?« Seine Frau warf ihm einen fragenden Blick zu.
    Bevor sie León kannte, war dieses Spiel für sie ein abstrakter Zeitvertreib gewesen, eine Anordnung von weißen und schwarzen Spielfeldern, auf denen sich Figuren bewegten, die sie nicht auseinanderhalten konnte. Als sie beim Tischler ein Schachspiel für ihren zukünftigen Ehemann in Auftrag gegeben hatte, hatte dieser vorgeschlagen, einen Kaffeetisch mit einem in die Platte eingelassenen Schachbrett und einer seitlichen Schublade zur Aufbewahrung der Figuren anzufertigen. Nun hatte Julia Gelegenheit, sich das Spiel in Ruhe anzusehen. Es bestand aus weißen und schwarzen Figuren, die je einem Spieler gehörten. Beide besaßen die gleiche Anzahl an Spielsteinen: acht Bauern, die kleiner waren als die übrigen Figuren, zwei Türme und zwei Springer, die als Pferde dargestellt waren, zwei Läufer, deren Form an Bischofsmützen erinnerte, ein König und eine Dame. Sechzehn Figuren von jeder Farbe. Zweiunddreißig insgesamt.
    »Ich dachte, beim Schach würde mit Figuren gezogen, nicht durch Buchstaben, Zahlen und Zeichen«, grübelte sie enttäuscht.
    »Nun, da hast du schon recht. Diese Zahlen und Buchstaben sind eine Möglichkeit, einen Zug vereinfacht wiederzugeben«, erläuterte León. »Im Laufe der Jahrhunderte wurde Schach häufig über große Entfernungen gespielt, bei denen man sich die Züge mit Brieftauben übermittelte. Andere wiederum wollten berühmte Partien aufzeichnen und sie für die Nachwelt festhalten.« León machte eine kurze Pause und sprach dann weiter. »Züge darzustellen, indem man sämtliche Figuren auf ein Schachbrett zeichnet, war recht mühsam, also dachte man sich ein System aus, um sie wiederzugeben. So wie in der Musik die fünf Linien des Notensystems. Die Araber schufen ein ganz einfaches algebraisches System, damit jeder eine Schachpartie besser verstehen konnte.«
    »Kd2++ ist einfach?«, fragte Julia erstaunt.
    »Sicher. Wenn ich es dir erkläre, wirst du es sehen.«
    Er ging in die Druckerei und holte Stift und Papier. Geschickt zog er parallele Linien, die sich mit anderen kreuzten, bis sie ein Schachbrett bildeten, auf dem er die Partie nachstellte, die auf dem Relief gespielt wurde. Dann schrieb er Buchstaben und Zahlen seitlich an den Rand.

    »Selbst wenn man nicht viel von Schach versteht«, begann León zu erklären, »kann man durch die algebraische Notation erkennen, dass Kd2++ ein Spielzug ist, mit dem die weiße Armee ihre Kräfte sammelt, damit ihr König dem gegnerischen König Schach bieten kann. Die beiden Pluszeichen bedeuten, dass der schwarze König schachmatt ist.«
    León sah Julia begeistert an. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
    »Kannst du mir erklären, weshalb du so außer dir bist? Es ist nur ein Stein«, protestierte diese. Aber er konnte den Blick nicht von diesem lateinischen Satz abwenden.
     
    HIC LATENT LUDI REGULAE
     
    »Hier sind die Regeln des Spiels«, wiederholte er hingerissen.
    »Und darf man erfahren, was zum Teufel das bedeutet?«
    León antwortete nicht gleich.
    »Es bedeutet, dass wir es endlich gefunden haben«, flüsterte er.

4 Der letzte Stein
    Ein schlechter Plan ist besser als gar kein Plan.
    FRANK JAMES MARSHALL
    M amita Lula hatte die Wochen genutzt, um das Haus nach ihrem Geschmack einzurichten. Zuerst ließ sie die Möbel, die noch aus den Zeiten Señor de Haros stammten, auf den Dachboden bringen. Sie fühlte sich nicht wohl in einem Haus, das die Strenge eines Klosters ausstrahlte. Stattdessen besorgte sie verschnörkelte Kandelaber und Spiegel, die den Raum vergrößerten. Sie bestellte schwere, dunkelrote Samtvorhänge mit goldenen Troddeln und Quasten und ließ in allen Schlafzimmern Himmelbetten aufstellen. Schließlich erwarb sie bei einem Krämer, der manchmal vorbeikam, einen Posten spanischer Wände, die mit allegorischen Darstellungen bemalt waren. Schon bald bevölkerten allerlei mythologische Wesen das Treppenhaus, den Eingang zur Druckerei und die Vorhalle: Bacchanten, Greife, Apollos, Medusen, Satyre und Sibyllen.
    Als immer noch Geld übrig war,

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