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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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Mann hielt, den sie je kennengelernt hatte.
    Monsieur Verdoux war ein häufiger Gast bei den Empfängen des Bürgermeisters Pablo de Olavide. Dieser war aus dem Vizekönigtum Lima nach Sevilla gekommen und mit dem Ziel in den Alcázar eingezogen, die reaktionären Bürger Sevillas aufzurütteln. Er wollte, dass die Leute aus der Erstarrung des Traditionalismus erwachten, und sie zu jenen neuen Ideen hinführen, die Europa erschütterten und die er selbst in Voltaires Landhaus verinnerlicht hatte. Olavide und seine erlauchten Freunde trafen sich, um über Politik zu diskutieren und französische Werke ins Spanische zu übersetzen. Viele dieser Werke landeten schließlich auf den Setztischen in Doña Julias Werkstatt. Es waren die ersten Texte der Aufklärung, die man in Sevilla zu lesen bekam.
    Pablo de Olavide veranstaltete Theateraufführungen, literarische Zirkel, Maskenbälle und Komische Opern. Er gründete die erste Schauspielschule Spaniens, die Miminnen vom Format einer Polonia Rochel oder María la Bermeja hervorbrachte, und ließ den ersten Stadtplan von Sevilla zeichnen. Er träumte von einer gerechten, toleranten Welt ohne Aberglauben, in der die Privilegien der Mesta – der Schafzüchtervereinigung – ebenso abgeschafft wurden wie die Willkür der Großgrundbesitzer und die Unterdrückung der Landarbeiter. Er wollte das Problem der großen Masse an Lohnarbeitern und Tagelöhnern lösen, die zur Saison auf den Gutshöfen und in den Olivenhainen der Großgrundbesitzer arbeiteten. Die meisten von ihnen schliefen auf der nackten Erde und ernährten sich von Brot und kalter Gemüsesuppe, bis schließlich der Regen einsetzte und sie gezwungen waren, in hungrigen Scharen nach Sevilla zu ziehen. Dort bettelten sie zuerst um Almosen und raubten schließlich den Passanten die Geldbörsen.
    Einige Jahre später wurde Olavide nach Madrid zitiert, um sich zu mehreren Anklagen wegen Ketzerei zu äußern, welche die Inquisition gegen ihn erhoben hatte. Darin hieß es, er sei ein Anhänger des kopernikanischen Weltbilds, und er habe untersagt, die Totenglocken in den Stadtvierteln zu läuten, sofern es sich um ein Pestopfer handelte, um die Bewohner nicht zu ängstigen. Der Prozess, das Urteil und die anschließende Haftstrafe hielten ihn für immer vom Guadalquivir fern, dem Fluss, der ihm so viel bedeutete. Die Adligen und Großgrundbesitzer konnten sich wieder ruhig zurücklehnen.
    Mit Monsieur Verdoux kam Leben in die Druckerei. An Leóns Palisandertisch wurde Schach gespielt, und Julia nahm die Anwesenheit eines so eleganten Mannes zum Anlass, das Essen auf dem silbernen Service mit der dazu passenden Sauciere servieren zu lassen. Sie fand wieder Freude daran, erlesene Gerichte zu bestellen, die er zu schätzen wusste.
    Es bereitete Julia unbeschreibliches Vergnügen, sich zum Abendessen besonders herauszuputzen und über so nebensächliche Dinge zu plaudern wie etwa, ob das Wiener Porzellan besser sei als jenes aus Sèvres oder ob es übertrieben sei, alle Bände einer Bibliothek mit Goldschnitt zu versehen. Julia fand, dass es ein wunderbares Vorbild für Abel war, den wohlerzogenen Monsieur Verdoux immer und überall vor Augen zu haben. Sie machte sich Sorgen um den Jungen, denn durch die Gesellschaft des wunderlichen Großvaters Nepomuceno und der ungehobelten Druckergesellen würde er irgendwann in seinen Sitten völlig verrohen.
    »Nimm dir ein Beispiel an ihm«, riet ihm seine Mutter. »Leg die Serviette auf den Schoß, bevor du das Besteck nimmst. Sag etwas Nettes über die Kleidung der Damen. Geh stets auf der rechten Seite. Glaub mir, wenn du dich so benimmst wie Monsieur Verdoux, werden die Mädchen später einmal ganz verrückt nach dir sein. Du wirst sehen.«
    »Von wegen«, murrte Mamita Lula. »Wenn er sich wie
Messié
Verdoux benimmt, werden die Männer ganz verrückt nach ihm sein. Und er wird ledig bleiben wie
Messié
Verdoux.«
    Abel fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Alle warfen ihm mitleidige Blicke zu, weil er die Ermordung seines Vaters hatte mitansehen müssen. Sie verwöhnten ihn so sehr, dass seine Erinnerung an die Zeit vor dem Überfall langsam verblasste. Der Besuch in der Komturei San Juan de Acre, der marokkanische Botschafter, die Brieftauben, die Suche nach dem Schatz … das alles erschien ihm nur noch wie ein Traum. Manchmal fragte er sich, ob er das alles wirklich erlebt hatte.
    Dann fiel ihm das Versprechen wieder ein, das er seinem Vater gegeben hatte, und er

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