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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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erkennen, dass die Druckereibesitzerin ihn nicht einmal von den übrigen Angestellten unterscheiden konnte. An diesem Tag schwor er sich, dass diese Familie bitter für die Geringschätzung zahlen sollte, die sie ihm und seinem Vater entgegenbrachte. Er schwor, dieser Piratendynastie das Leben zur Hölle zu machen.
    Und von da an tat er alles, was in seiner Macht stand, um dieses Ziel zu erreichen.

8 Der Büßergeist
    Wenn dein Gegner dir Remis anbietet,
versuche herauszufinden, warum er sich in
einer ungünstigen Position sieht.
    NIGEL SHORT
    N ach dem Verlust des Handelsmonopols mit der Neuen Welt war der wirtschaftliche Niedergang Sevillas nicht mehr aufzuhalten. Es mangelte an Geld, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Um den Wucherzinsen der Halsabschneider Einhalt zu gebieten, beschloss man, dem Beispiel der Franziskaner zu folgen und ein Pfandleihhaus zu eröffnen. So entstand der erste
Monte de Piedad
, wie sich die Einrichtung nannte. Binnen kürzester Zeit fanden sich vor der Tür Menschen ein, die ihren Verlobungsring, den goldenen Orden des Urgroßvaters oder die Brosche der Großmutter gegen ein paar Münzen eintauschen wollten, um über die Runden zu kommen.
    Aber als aller Schmuck versetzt war, wurde aus Armut bittere Not, und eine Heerschar von über viertausend Bettlern strömte in die Stadt. Die Straßen waren bevölkert von zurückgelassenen Neugeborenen, Menschen, die im Abfall lebten, Heimatlosen, die sich in Bretterverhauen vor den Unbilden des Wetters schützten, um nach Arbeit zu suchen, die es nicht mehr gab, und später dann bei der Barmherzigkeit Gottes um ein Almosen zu betteln. Die Verbrechensrate stieg, und als man bei tausendfünfhundert Häftlingen angelangt war, wurde klar, dass das Gefängnis allmählich zu klein wurde.
    Der Adel war am wenigsten von all dem betroffen. Zweihundert Familien hielten die Herrschaft über Sevilla in ihren Händen und überzogen die Stadt mit palastartigen Anwesen, Patios, Stallungen und Gartenanlagen, die sich über ganze Häuserblocks erstreckten. An der Plaza del Duque stand der prächtige Palast des Herzogs von Medina Sidonia, in der Calle Dueñas der des Herzogs von Alba und an der Plaza de Paja jener der Familie de Arcos. Die meisten Adelstitel, die nun von Generation zu Generation weitervererbt wurden, waren zu Zeiten Philipps V. und Karls  II . von reichen auswärtigen Händlern gekauft worden.
    Die Grundherren, die so klingende Namen trugen wie Herzog von Albuquerque oder Bucarelli, mehrten ihr Vermögen immer weiter, indem sie den Sánchez oder Pérez, die für sie arbeiteten, Hungerlöhne zahlten. Die Tagelöhner sahen es nicht länger ein, sich krumm und bucklig zu schuften, obwohl ihnen das Land, das sie beackerten, nicht gehörte und man sie schlechter behandelte als Tiere. Unzufriedenheit und Wut brodelten unter dem einfachen Volk und drohten, jeden Augenblick hervorzubrechen.
    Aber die Krise war ein Wirbelsturm, bei dem Julia keinerlei Federn ließ. Ihr Geschäft mit der Vervielfältigung und dem Verkauf von Druckwerken lief noch besser als zuvor, seit sie sich entschieden hatte, die Schriften zu binden. Das Lesen kam in Mode. In Zeiten, da die meisten Landbewohner Analphabeten waren, wurde das Buch in städtischen Kreisen als Prestigeobjekt angesehen. Es gab Adlige, die für ihre großartigen Bibliotheken berühmt waren. Mit Monsieur Verdoux’ Unterstützung traf Julia den Entschluss, die Libretti der Opern, die im Theater in der Calle Carpio gegeben wurden, übersetzen zu lassen und sie vor der Vorstellung zu verkaufen.
    »Sie werden mir gewiss darin zustimmen,
chérie
«, sagte der französische Lehrer gewählt, »dass es keinen Sinn hat, zwei Stunden lang zu lauschen, wie Orpheus auf Italienisch seine Verzweiflung herausschreit, wenn man nicht versteht, wie ihm das Leben mitspielt. Es wäre aber auch nicht verkehrt, wenn wir das Pariser
Journal des Savants
aus dem Französischen übersetzten. Und ein Blatt mit Nachrichten aus der Region könnte auch interessant sein.«
    Von da an erschienen in Doña Julias Druckerei der Anzeiger
San Hermenegildo
und die
Nützliche Sevillaner Wochenschrift
, die Nachrichten aus Handel, Kirche und Kultur brachte und die Veröffentlichungen der Königlichen Gesellschaft für Medizin verbreitete. Zum Teil war es Monsieur Verdoux und seinen aufklärerischen Freunden zu verdanken, dass die Kultur in Sevilla in Mode kam.
    ***
    ZWISCHEN DEM MORGENDLICHEN Unterricht bei Monsieur Verdoux und den

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