Der Turm der Seelen
von Lol erzählen, was er über die Hopfenfrau gehört hatte.
«Also hat diese Frau im Museum die Geschichte erfunden. Warst du nochmal bei ihr, um sie danach zu fragen?»
Lol schüttelte den Kopf.
«Hopfen.» Merrily trommelte mit den Fingerspitzen auf das Teetablett. «Was könnte es mit dem Hopfen auf sich haben?»
«Zum Beispiel hat Stock gesagt, Hopfenkissen sollen den Schlaf fördern. Aber in seinem Fall hat das ganz und gar nicht funktioniert.»
«Hopfen als sexuelles Stimulans? Als du sie das erste Mal gesehen hast, war sie nackt und hatte eine Hopfenranke um sich geschlungen. Und in dem Schlafzimmer hat sie auch mit einer trockenen Hopfenranke herumgespielt, die sie als eine Art … erotisches Accessoire benutzt hat. Wie hast du dich in diesem Moment gefühlt?»
«Die Situation war mir peinlich.»
«Und vielleicht auch ein ganz kleines bisschen …»
«Nur peinlich, und Angst hat sie mir auch gemacht.»
«War es vielleicht so etwas wie Nymphomanie?», überlegte Merrily laut. «Das kann eine Geisteskrankheit sein, oder? Die Leute lachen zwar immer darüber, und im Pub behaupten die Männer, sie würden sich freuen, wenn ihre Frauen diese Krankheit hätten, aber es kann doch wirklich eine Geisteskrankheit sein, oder nicht?»
Lol dachte nach. «Ich glaube nicht, dass man das in der modernen Medizin noch so sieht. Es gibt keine echten Kriterien, um so ein Krankheitsbild zu untermauern. Umgangssprachlich wird der Begriff auf Frauen angewandt, die ‹zu viel Sex wollen› – aber wie viel ist zu viel? Und wie soll man einen männlichen Nymphomanen nennen? Es könnte einfach nur ein sexistisches Wort sein, denn eine Frau, die auf Sex steht, ist eine Schlampe, während ein Mann, der nicht genug davon bekommen kann, als Vorbild angesehen wird.»
«Wow», sagte Merrily. «Anscheinend lernt man ja wirklich was bei dieser Ausbildung.»
Er warf ihr einen unbehaglichen Blick zu. Dann nahm er seine Brille ab und putzte sie mit dem Saum seines T-Shirts . Merrily ließ sich auf den Bettvorleger hinunterrutschen, lehnte sich mit dem Rücken ans Bett und schlang die Arme um die Knie. Die Ironie der Situation war ihr vollkommen bewusst. Da saß sie nun allein mit einem Mann, den sie schon immer sehr attraktiv gefunden hatte, in einem Schlafzimmer und redete über Sex, doch die Umstände machten alles Weitere unmöglich.
«Wir bewegen uns im Kreis, Lol.»
Er erzählte ihr von dem merkwürdigen Singsang, den Stephie in dem Schlafzimmer von sich gegeben hatte, in einer fremden Sprache, die ganz bestimmt kein Französisch, möglicherweise aber Walisisch gewesen war. Und dann dieses seltsame
‹Sag nicht nein zu mir›
.
«Hat vielleicht jemand anderes irgendwann
nein
zu ihr gesagt? Na ja, Stock ist wesentlich älter, als sie es war, und höchstwahrscheinlich knapp davor, Alkoholiker zu werden, was …»
«… bei Impotenz nicht unbedingt hilft», sagte Lol. «Und ich glaube, der Hauptgrund, aus dem Männer ihre Frauen umbringen, ist ein Vollrausch, nachdem sie wegen ihrer Impotenz verspottet worden sind. Außerdem ist Stock ein arroganter Typ. Es ist garantiert sehr, sehr schwer für so jemanden, seine sexuelle Unzulänglichkeit einzugestehen. Und wenn er keine andere Erklärung bringt, werden sie es wahrscheinlich darauf zurückführen.»
«Wenn», sagte Merrily, «da nicht noch etwas gewesen wäre, das sie so gerne einen Exorzismus nennen.»
Danach schwiegen sie. Merrily ging durch den Kopf, dass ihr die Sache bei den Stocks womöglich viel besser gelungen wäre, wenn Lol sie tatsächlich in seiner Funktion als Psychologe begleitet hätte, als Mitglied des sogenannten Exorzisten-Teams.
Er stand auf und setzte sich halb auf den Fenstersims. «Soll ich zu Bliss gehen und ihm von Stephanie erzählen?»
Sie sah zu ihm auf. «Das willst du doch gar nicht.»
«Ja, aber es könnte die Ermittlungen in eine andere Richtung lenken. Abgesehen davon ist es die Wahrheit.»
Sie stellte sich neben ihn. «Sie würden dir nicht glauben.»
«Du hast mir doch auch geglaubt.»
«Noch dazu glaube ich, dass es Howe wahnsinnig gut gefallen würde, wenn sie dir mit deiner alten … Polizeiakte vor der Nase rumwedeln könnte.»
Er lächelte. «Hazey Jane, zweite Folge?»
Sie sahen sich in die Augen, und seine Miene entspannte sich. Es war einer dieser innigen Blicke, die normalerweise in einem noch innigeren Kuss enden.
Doch der Moment verstrich, und dann setzte sich Merrily wieder aufs Bett.
«Vielleicht
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