Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
herauszufinden, wie verbreitet dieser Unsinn war und ob vielleicht noch andere Jugendliche in Gefahr schwebten oder Ängste entwickelt hatten. Zum Schluss sagte Merrily, dass mehrere Schülerinnen Layla Riddock als Anführerin bei den spiritistischen Sitzungen an der Moorfield High School genannt hatten.
    Sosehr dies auch alles der Wahrheit entsprach, auf einmal erschien Merrily diese Geschichte ziemlich dünn, und ihre Ahnungen wurden sogleich von Allan Henrys Argumentation bestätigt.
    «Nun.» Er saß in einem Schaukelstuhl mit Stahlrahmen, den linken Knöchel auf das rechte Knie gelegt. «Davon wusste ich nichts.»
    «Es wurde durch das Krankenhaus bekannt, in dem das Mädchen behandelt wurde.» Sophie hatte offenbar beschlossen, die Verantwortung für sämtliche unumgänglichen Lügen zu übernehmen. «Wenn ein Schulkind eine möglicherweise tödliche Tablettendosis einnimmt, fangen ziemlich viele Leute an Fragen zu stellen. In diesem Fall, und nachdem die Eltern sehr gläubig sind   …»
    «Nein, das meinte ich nicht. Was ich nicht wusste, Mrs.   Hill, ist, dass die Anglikanische Kirche ihre eigene Ermittlungsabteilung hat.»
    «Ganz so kann man es nicht nennen», sagte Merrily.
    «Denn, sehen Sie, ich finde das alles sehr beunruhigend. Ist denn die
weltliche
Polizei ebenfalls eingeschaltet?»
    «Noch nicht», sagte Sophie.
    « Noch nicht
. Ich verstehe.»
    Er schwieg einen Moment. Merrily fiel ein goldgerahmtes Gemälde an der Wand auf, das hoch in der Mauernische rechts vom Kamin hing. In strahlenden Farben im Stile Gaugins zeigte es eine ernste schwarze Frau, die mit einem prächtigen Kleid angetan war, das Haar unter einem Schleier verborgen trug und über deren Kopf entweder einer Krone oder ein verschnörkelter Heiligenschein schwebte.
    «Nur damit ich es recht verstehe», sagte Allan Henry langsam. Weder die Lautstärke noch die Höhe seiner Stimme hatte sich verändert, nur der humorige Tonfall war daraus verschwunden. «Sie beschuldigen meine Stieftochter im Namen der Kirche von England des psychischen Missbrauchs an Kindern.»
    Die absolute Genauigkeit seiner Formulierung frappierte Merrily so, dass sie einen kurzen geistigen Aussetzer hatte. Sie wagte nicht, ihn anzusehen, und starrte weiter das Bild der Schwarzen Madonna an.
    «Wir
beschuldigen
sie nicht, Mr.   Henry», sagte Sophie. «Wir versuchen nur zu helfen.»
    «Mrs.   Hill   … oder muss es heißen
Hochwürden
Mrs.   Hill?»
    «Keineswegs.»
    «Sie müssen schon entschuldigen, wenn ich mich etwas bedroht fühle, Mrs.   Hill. Sie beide kommen an meine Tür wie die Zeugen Jehovas, maßen sich irgendwelche Befugnisse an und   …»
    «Sehen Sie», sagte Merrily, «es geht uns nicht um diejenigen, die daran teilgenommen haben, sondern um die Ouija-Praxis an sich. Und darum, was es auslösen kann   … in psychischer Hinsicht, wenn Sie wollen. Es mag harmlos erscheinen, nur ein Spiel, auch wenn ich das nicht glaube. Aber das hier ist bestimmt keine Hexenjagd.»
    Sobald sie das Wort ausgesprochen hatte, wollte sie es zurücknehmen, doch es war zu spät. Allan Henry fing es noch in der Luft auf, wie eine Faust, die sich über einer Fliege schließt.
    « Hexenjagd
? Das ist ja nun eine
sehr
interessante Wortwahl. Die Kirche hat allerdings auch eine lange Tradition in der Verfolgung von Minderheiten. Die Roma beispielsweise waren aufgrund ihrer Sitten und ihrer Lebensart im Laufe der Zeit und überall auf der Welt den abstoßendsten Diskriminierungen und Verfolgungen ausgesetzt   …»
    «Ja, aber   …»
    «Nein, hören Sie sich an, was ich über Layla zu sagen habe. Sie ist eine sehr ernsthafte junge Frau, sehr reif für ihr Alter, und sie hat eine große akademische Karriere vor sich. Und sie hat Roma-Blut in den Adern, das ihr eine überwältigende Ausstrahlunggibt, die manche Leute beängstigend finden. Und zudem hat sie gewisse Fähigkeiten, die manche Leute nicht akzeptieren können. Unwissen erzeugt eben Vorurteile. So war es schon immer, Mrs.   Watkins. Schon immer.»
    Merrily war fassungslos. «Sie unterstellen uns Rassimus?»
    «Auch diese Wortwahl stammt von
Ihnen

    «Mr.   Henry, ich mache mir einfach nur Sorgen   …», sie wünschte sich auf die andere Seite des Panoramafensters, dann hätte sie rennen und rennen können, bis hinüber zu Robin Hoods Hintern, «…   weil hier Jugendliche mit Todesvorstellungen herumspielen. Das beunruhigt mich eben. Ich kann sie aber ohnehin nicht daran hindern. Alles, was ich tun

Weitere Kostenlose Bücher