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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ist – oder wenigstens, wie soll ich sagen, überzeugend. Andernfalls würden uns die meisten Redaktionen bald nichts mehr abkaufen. Wenn Sie erst mal den Ruf haben, eine unzuverlässige Agentur zu sein, können Sie gleich dichtmachen.»
    «Das Fazit in diesem Fall lautet also: Die Geschichte
könnte
erfunden sein.»
    Fred zögerte. «Ich weiß nicht. Der Typ hat eine ziemlich überwältigende Art drauf – macht schon beim ersten Treffen einen auf alte Kumpel – aber dahinter   … ich glaube
wirklich
, dass er irgendwie beunruhigt war. Er wirkte beinahe wie unter Schock. Ichmeine, wenn die Leute zittern und einem erzählen, wie sehr sie sich fürchten, könnte das Schauspielerei sein. Aber wenn jemand so eine selbstgefällige, arrogante Fassade zur Schau trägt und dabei irgendetwas anderes – zum Beispiel Angst – durchblitzt, ist das schon schwerer vorzutäuschen, oder? Es könnte natürlich auch sein, dass er Alkoholprobleme hat, aber ich weiß nicht recht. Sie werden meinem Chef nicht sagen, dass ich Ihnen das alles erzählt habe, oder? Ich meine, ich würde natürlich viel lieber für den
Independent
oder so arbeiten, aber man muss nehmen, was man kriegt.»
    «Das Leben ist ja so ungerecht, Fred. Weshalb haben Sie eigentlich angerufen?»
    «Na ja, es geht um eine Fortsetzung, um einen neuen Blickwinkel. Ich meine, Sie haben doch gesagt, dass Sie sich über den Fall   …»
    «Das habe ich eigentlich nicht gesagt. Was ich gesagt habe, war   …»
    «Lassen Sie mir ein bisschen Zeit, Merrily. Morgen steht das in ein paar Zeitungen bestimmt viel ausführlicher und korrekter.»
    «Sie meinen, Sie bemühen sich, ein paar Redakteure von dieser korrekteren Sicht der Dinge zu überzeugen.»
    «Es ist   …» Fred Potter atmete hörbar aus. «Es ist ein Geschäft, das habe ich ja schon gesagt.»
    «Na gut   … aber ganz inoffiziell.»
    Er seufzte. «Okay.»
    «Ich bin in einer schwierigen Position», sagte Merrily. «Ich kann kaum etwas tun, solange mich der Ortsgeistliche nicht um Unterstützung bittet. In diesem Fall erscheint es mir so, als wüsste der Vikar, St.   John, ganz genau, was Mr.   Stock im Schilde führt. Also glaube ich, dass wir in die Sache nicht verwickelt werden wollen.»
    «Aber falls Sie die Geschichte noch irgendwie weiter   …»
    «Dann lasse ich es Sie wissen, versprochen.»
    «Das sagen alle.»
    «Ja, aber ich bin Pfarrerin, Fred.»
    «Hmmhm», sagte Fred Potter.
     
    Merrily spülte ihren einzelnen Teller ab, ging zurück in die Spülküche und rief wieder bei den Shelbones an.
    Das Telefon klingelte und klingelte, und sie wusste einfach, dass jemand zu Hause war. Sie stellte sich vor, wie alle drei Shelbones in der engen Diele standen und das klingelnde Telefon anstarrten. Diese Shelbones trugen gestärkte Puritanerkleidung, wie die Pilgerväter, und das Telefon war für sie eine gefährliche Verbindung hinaus in die schlechte, moderne Welt, die ihnen nach ihrer festen Überzeugung nur schaden konnte.
    Sie legte den Hörer wieder auf, nahm Zigaretten und Feuerzeug mit in die Küche und setzte den Wasserkessel auf. Dann stellte sie sich an das Fenster, das nach Westen hinausging, und betrachtete die tiefen Schatten im Apfelgarten, in dem sich Hochwürden Wil Williams, der Gemeindepfarrer, im Jahre 1670 erhängt hatte, um einer Anklage wegen Hexerei zu entkommen. Wil war beschuldigt worden, mit Sylphiden und Faunen getanzt zu haben. Aber so einfach war die Sache vermutlich nicht gewesen.
    Merrily erinnerte sich an diesen gespenstischen Schauer, der Amy Shelbones gesamten Körper überlaufen hatte.
    Wer ist Justine, Amy?
    Sie steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und wollte das Feuerzeug anschnippen. Nichts passierte. Auch die folgenden Versuche brachten nur ein paar Funken. Merrily stellte ihre Handtasche auf den Küchentisch und tastete darin nach Streichhölzern. Irgendetwas rollte schwer über den Tisch und fiel auf den Boden.
    Der Raum versank im letzten Dämmerlicht des Tages. Sie schaltete das Licht an und fand endlich ein Streichholzheftchen mit dem Logo des
Black Swan
-Hotels. Es stand mit seinem balkengetragenenVorbau am Rand des kopfsteingepflasterten Marktplatzes, und Merrily dachte kurz daran, wie schön es wäre, jetzt in der Dämmerung dorthin zu spazieren und sich auf ein Glas Weißwein in den neuen Biergarten zu setzen.
    Doch dann ließ sie sich am Küchentisch nieder, zündete ihre Zigarette an und sah durch den Rauch vor sich, wie Jane am Vortag am Tor

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