Der Turm der Seelen

klingeln, und als sie ein zweites Mal gewählt hatte, hörte sie das Besetztzeichen. Vielleicht würden sie ja zurückrufen.
    Aber das taten sie nicht, und Hazel Shelbones Entschuldigung, dass sie nicht mit Merrily telefonieren wollte, während Amy im Haus war, überzeugte nicht mehr so recht. Die meisten Leute besaßen heutzutage ein Handy. Hinter all diesem altmodischen, gottesfürchtigen Christentum wirkte irgendetwas an dieser Familie reichlich merkwürdig.
    Wie sollte sie vorgehen? Die Bitte um eine spirituelle Reinigung lag immer noch auf dem Tisch. Merrily glaubte nicht, dass sie einfach ohne weitere Begründung ablehnen konnte, wie es Simon St.   John getan hatte. Abgesehen davon war sie neugierig.
    Sie beendete gerade ihr Abendessen aus Malvern-Schafskäse und Salat, als Fred Potter, der freiberufliche Journalist, wieder anrief.
    «Bevor Sie irgendetwas sagen», sagte Merrily, «wer hat Sie auf diese Story aufmerksam gemacht? Ich meine, ganz am Anfang.»
    «Na ja.» Nervöses Lachen. «Sie wissen ja, wie es so ist mit Informationsquellen.»
    «Ja, ja, die berühmte Einbahnstraße. Wenn jemand wie ich nichts enthüllt, werden wir öffentlich beschuldigt, die Wahrheit zu verschleiern, während Sie Ihre Informanten schützen.» Sie hielt inne. «Und ganz inoffiziell?»
    «Oh, Mrs.   Watkins   …»
    «Wissen Sie», sagte Merrily nachdenklich, «irgendetwas sagt mir, dass das hier nicht die letzte Gelegenheit ist, bei der sich unsere Wege kreuzen. Es könnte gut sein, dass ich noch mit allen möglichen Dingen zu tun haben werde, aus denen man gute Storys machen kann. Wer weiß, wann Sie mich wieder   …»
    «Sie sind ziemlich raffiniert, muss ich sagen.»
    «Ich bin nur eine einfache Dienerin Gottes», gab sie übertrieben geziert zurück.
    Die weißgestrichenen Wände der Spülküche wurden vom Sonnenuntergang flammend rot gefärbt. Sie zündete sich eine Zigarette an.
    «Na gut», sagte Fred Potter. «Unter uns, die Geschichte hat unser Boss, Malcolm Miller, angebracht. Er kennt Stock von früher. Stock hat als P R-Berater gearbeitet.»
    «Und wann war das? Ich meine, wann haben Sie von der Story erfahren?»
    «Vor ein paar Tagen. Malcolm hat mich gestern Morgen zu den Stocks geschickt.»
    «Und kann es sein, dass die beiden alles nur erfunden haben?»
    «Oh nein. Das glaube ich überhaupt nicht. Ich meine, es stimmt schon, eine Geistergeschichte   … kann man nicht überprüfen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es in dem Haus wirklich unheimlich düster ist.
Ich
könnte dort jedenfalls nicht wohnen. Es ist ein echter Skandal, dass dieser Typ, dieser Lake, einfach jemandem das ganze Tageslicht rauben kann.»
    «Es gibt Gesetze zu dem Abstand, den man mit Neubauten zu historischen Gebäuden einhalten muss. Das Ganze ist ein Fall für Stocks Anwalt», sagte Merrily.
    «Aber wir von der Presse verlangen kein Honorar von hundert Pfund die Stunde.»
    «Was ich sagen will, ist, dass diese Sache nicht
unser
Problem ist, ich meine, nicht das Problem der Kirche. Wir kommen erst bei den Spukerscheinungen ins Spiel. Und falls sich herausstellen sollte, dass
das
erfunden ist   …»
    «Bitte, Mrs.   Watkins.»
    «Ich schütze mich nur selbst, Fred.»
    «Aber das ist, als würden Sie mich fragen, ob ich an Geisterglaube», sagte er. «Auch wenn
ich
das vielleicht nicht tue, gibt es eine Menge Leute, die daran glauben. Und
Sie
selbst tun es wahrscheinlich auch.»
    «Manchmal.»
    «Okay   …» Es blieb einen Moment ruhig, als würde er sich durch einen Blick über die Schulter versichern, dass er wirklich allein war. «Er ist so eine Art Strippenzieher.»
    «Stock?»
    «Er hat ziemlich lange in der P R-Branche gearbeitet. Und da kommt es oft darauf an, dass irgendwelche erfundenen Geschichten glaubwürdig klingen. Wenn er eine erfundene Geschichte unter die Leute bringen wollte, dann würde er bestimmt genau wissen, wie er es einfädeln müsste. Nicht viele Leute wissen, dass sie, wenn sie mit ihrer Story so schnell wie möglich groß rauskommen wollen, nicht direkt zu einer Zeitung, sondern zu einer Nachrichtenagentur wie unserer gehen müssen, weil wir die Geschichte innerhalb kürzester Zeit überall verbreiten können   … bei überregionalen Zeitungen, Fernsehsendern, beim Radio   …»
    «Und an je mehr Redaktionen Sie eine Story vermitteln, desto mehr Geld verdienen Sie damit.»
    «Klar, mit Nachrichten wird Geld verdient. Aber unterm Strich liegt es in unserem eigenen Interesse, dass die Story rund