Der Turm der Seelen
… es sei denn, er hat sichergestellt, dass Stock das Haus gar nicht verkaufen
kann
.»
«Du meinst, so eine Art …»
«Ausschließungsklausel. Stock will uns glauben lassen, dass er die Darre nicht verkaufen will, weil er sie in Wirklichkeit gar nicht verkaufen
kann
. Darauf würde ich wetten.»
«Das könnte stimmen», räumte Lol ein.
«Eine andere Erklärung gibt es nicht. Er spielt auf Zeit, bis er – legal oder illegal – eine Möglichkeit findet, diese Klausel zu umgehen. Vielleicht bricht ja nachts mal ein Feuer aus, vielleicht fällteine der Kerzen, mit denen er gegen diese ständige Dunkelheit ankämpft, in einem unbeachteten Moment brennend aufs Tischtuch. Er könnte alles Mögliche tun.»
«Und weiterhin als Unschuldslamm gelten?»
«So was ist ihm doch vollkommen egal, Lol, solange er nicht ins Gefängnis wandert. Er will Lake anscheinend heimzahlen, was er dem Haus und Stewart Ash angetan hat. Außerdem will er es – das kann man von mir aus pervers finden – Ash heimzahlen, dass er ihm ein normalerweise gut verkäufliches Landhaus aufgehalst hat, das er aber nicht verkaufen darf. Er sucht garantiert nach einer Möglichkeit, aus dieser Situation Geld zu schlagen – vielleicht unterschreibt er gerade einen Buchvertrag oder handelt die Bedingungen für einen Dokumentarfilm aus.» Simon stand auf und lehnte sein Cello an den Stuhl.
Auch Lol stand auf. «Und was ist, wenn du dich irrst? Was ist, wenn er in diesem Haus wirklich irgendwelche Probleme hat?»
«Warum interessiert dich das eigentlich so?»
Lol zuckte mit den Schultern.
«Hat das irgendwas mit einer womöglich hoffnungslosen Verliebtheit in Hochwürden Watkins zu tun?»
Lol seufzte. «Der gute alte Prof.»
«Ja genau. Er hat im Pfarrhaus angerufen, bevor er nach London abgefahren ist. Und dann, stell dir vor, hat sie selbst angerufen. Wollte sich entschuldigen, für den Fall, dass ich mich über irgendwas geärgert habe, das sie der Presse erzählt hat.»
«Merrily hat mit der Presse gesprochen?»
«Ich hoffe für deine Freundin, dass sie schlau genug ist, sich nicht in die Sache hineinziehen zu lassen. Du hast da wohl keinen Einfluss, Lol, oder?»
«Ich bin Songschreiber, mehr nicht.»
«Und stell ja keine idiotischen Verbindungen zwischen irgendeiner zugedröhnten Kifferin und der Hopfenfrau her.»
«Darf ich denn überhaupt einen Song über die Hopfenfrau schreiben?»
Simon atmete zischend zwischen zusammengebissenen Zähnen aus. «Na gut», sagte er, «ich erzähle dir die Wahrheit über die Hopfenfrau.»
Lol setzte sich wieder.
«Der Legende nach», sagte Simon, «stirbt die Pflanzung des Hopfenbauern, der sie sieht, noch vor der Ernte ab. Klar?»
«Mmmh.»
«Wenn die Welke in irgendeinem Feld auftaucht, fangen die alten Knacker im Pub sofort an, über die Hopfenfrau zu unken. Du hast bestimmt schon mal eins von den Schildern gesehen: ZUTRITT VERBOTEN. ANSTECKUNGSGEFAHR. Die Welke ist unersättlich und kann schon dadurch weiterverbreitet werden, dass jemand über ein verseuchtes Feld geht. Die meisten Leute beachten die Verbote. Bei Kindern ist es natürlich so eine Sache. Es war immer ein Problem, die Kinder von den Feldern fernzuhalten. Und ich glaube, deshalb haben sie die Geschichte erfunden.»
«Erfunden? Wer genau hat sie denn erfunden?»
« Sie
. Ich weiß nicht, wer genau, aber diese Geschichte ist Blödsinn, Lol!» Simon hob die Arme. «Diese Geschichte wurde erfunden, damit die Kinder Angst davor haben, auf die Hopfenfelder zu gehen. In Herefordshire wurde zur Ritterzeit noch gar kein Hopfen angebaut.»
«Also hat mich Sally Boswell auf den Arm genommen?»
«Vielleicht ist
sie
ja die Erfinderin dieser Geschichte. Sie ist ziemlich clever und lebt schon lange genug hier.» Simon hatte seinen Bogen aufgenommen und schlug ihn gegen sein Bein wie eine Reitgerte. «Wir sind hier auf dem Land, Lol, und auf dem Land lügt in gewissen Situationen jeder.»
13 Eine Frage der Diplomatie
Obwohl sie für den Bischof und die Kirche von England arbeitete, diente Sophie Hill im Grunde nur der Kathedrale. Wenn man ihr etwas anvertraute, erfuhren es höchstens Gott und die mittelalterlichen Gemäuer.
Man konnte sie nicht als Mutterfigur bezeichnen – dafür war sie zu streng – und als ältere Schwester schon gar nicht. Kummerkasten passte da schon besser. Merrily fragte sich, wie viele Priester zu ihr gegangen waren, wenn sie eine Glaubenskrise hatten oder Eheprobleme oder nachdem sie als schwul geoutet
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