Der Turm
erhobener Hand.
»Na, lieber Rohde, haben Sie sich mein Angebot durch den Kopf gehen lassen? Ihr Chef hätte nichts dagegen.«
»Ich brauche noch ein bißchen Zeit, Herr von Arbogast.«
Schiffner hob das Sektglas und prostete Meno zu. »Wir müssen auch noch mal über die Vorbereitung zum Verbandskongreß reden, mein Junge. Die vom Bezirk haben sich schon gemeldet und angefragt, wo unsere Ausarbeitung zur Wahlberichtsversammlung bleibt. Und Sie werden bald noch eine Arbeit bekommen. Von unserem jungen Talent.« Schiffner nickte in Judith Schevolas Richtung. Arbogast und er wechselten einen Blick, grinsten. Sperber und Altberg traten hinzu. »Sie will ein Buch bei uns herausbringen. Werfen Sie doch mal einen Blick rein. Ich meine: ins Buch.« Arbogast, Sperber und Schiffner begannen zu lachen. »Sehen Sie sich vor, mein Junge, Talent kann ansteckend sein!« Die drei lachten noch lauter.
»Mein Gott, die Knabe schwingt mal wieder das große Wort. Daß du die ertragen kannst, Ludwig, mit ihrem feministischen Gequatsche!« Rechtsanwalt Sperber wippte auf den Zehen und blickte zur Zahnärztin, die sich gestenreich und augenrollendmit Musikkritiker Däne, Jochen Londoner und Herrn Kittwitz stritt. Ihr Mann hielt betrübt die Ananas am übriggebliebenen Strunk. »Dieser Schlappschwanz Knabe, der sollte seine Alte mal lieber richtig ’rannehmen!«
»Glaubst du, daß es das ist, was ihr fehlt?« Schiffner steckte die Hände in die Taschen und begann ebenfalls auf den Zehen zu wippen.
»Die ist doch andersrum! Treibt’s mit der Pferde-Jule, deshalb hat sie doch auch keine Kinder!«
»Die an der Rißleite wohnt, wo früher Heckmanns Fuhrgeschäft war?«
»Genau die! Ein Flintenweib! Hat mal einen meiner Mitarbeiter windelweich geprügelt, weil er es gewagt hatte, sich eine Kirsche zu pflücken, die übern Zaun des Grundstücks hing!« Arbogast tackte den Greifenstock auf, wippte auf Fers und Zehen. »Eigentlich schade um die Knabe. Großes Weib, schönes Becken … junonisch. Oder was sagst du, Heinz? Du hast doch hier den Kunstverstand.«
Schiffner strich sich übers Gesicht, eine Bewegung, mit der er Witze einzuleiten pflegte. »Meine Damen, wenn Sie wüßten, wie gerne wir Sie unter uns haben, und daß es unser höchstes Vergnügen ist, in Ihrer Mitte zu weilen …« Die drei kicherten, Meno wandte sich ab. Der Alte vom Berge zog ihn beiseite. »Trinken wir einen Schluck, Herr Rohde. Was nehmen Sie?«
Meno schüttelte den Kopf.
»Doch, doch, mein Lieber. Hier drinnen ist es zwar schrecklich heiß … Dieser Stromausfall vorhin, während Ihres Vortrags, vielleicht hängt es damit zusammen … Aber hier drin«, Altberg legte die Hand auf die Brust, »friert man. Und so ein Kognak wärmt; kann ich empfehlen! V.S.O.P. – ja, was das betrifft, läßt er sich nicht lumpen.« Altberg goß drei Gläschen ein, hielt eines Meno hin, trank die anderen beiden hinunter, als ob es Wasser wäre, goß sie wieder voll. »Hüten Sie sich vor Arbogast! – Kommen Sie, gehen wir etwas hin und her, Sperber und Dietzsch beobachten uns … Ich halte den für einen Spitzel!«
»Dietzsch?«
»Auch Bildhauer können Berichte verfassen! Vor allem, wenn sie mit ihrem Geld nicht klarkommen – und mit dem Erfolg,den andere haben und sie nicht … Hoppla, die Kognakflasche nehmen wir doch mit, das wärmend kupfrig Wässerchen, das machen wir noch nieder, Herr Rohde, so etwas Gutes sollten wir nicht umkommen lassen. – Ich weiß es von Malthakus, und der von Marroquin …« Altberg trank das vierte Glas leer, warf einen entsetzten Blick auf Meno, atmete plötzlich schwer. »Sie glauben, das seien nur Gerüchte und Vermutungen? Wissen Sie was? Damit hätten Sie recht! Ganz und gar recht hätten Sie damit! Pure Luftgreiferei, nichts weiter … die Phantasie eines Mannes, der Belletristik treibt, ist mit ihm ein wenig durchgegangen. Ich habe Schiffner noch einmal gesprochen, er lehnt das Buch tatsächlich ab … «
»Ist Ihnen nicht gut? Wollen Sie sich vielleicht setzen? Oder frische Luft schnappen?«
»Nein, nein, es geht schon, lieber Rohde. Danke für Ihren Brief! Vor Ihnen muß man sich ein wenig in acht nehmen … Wissen Sie was? Ein bißchen Klatsch kann nicht schaden. Wir leben doch von dieser anmutigen Speise!«
»Herr Altberg, bitte entschuldigen Sie, ich will Ihnen nicht zu nahe treten –«
»Das ist es ja eben! Niemand will einem zu nahe treten, alle sind höflich und schweigsam und fein auf Abstand! Ich werde den Anfang
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