Der Turm
das Malheur geschehen? Ich stellte fest, daß der Regen, anstatt wie üblich von der westlichen Wetterseite, ungewohnterweise direkt von Osten auf meine Dichterklause losgegangen war. Was war das nun wieder für eine Schweinerei? Was erlaubte sich der Regen mit meinem Manuskript? War da etwa die Hand Moskaus mit im Spiel? Und nun hätte das bundesdeutsche Fernsehen, das ich hier so treffend persifliere,sicherlich gefragt, wie der Dichter Paul Schade so charakterlos sein und den Regen dennoch nicht beschimpfen konnte. Ich sage: Im Interesse der Blumen im Garten. Im Interesse der Rabatten mit Rhabarber und Kohl. Der Beete mit Stiefmütterchen meiner Frau. Im Interesse meiner Freilandgurken und Tomaten. Spaß beiseite, Kollegen! Ich habe den Einstieg ins Thema nicht von ungefähr gewählt, denn wahrlich, mir ist eher zum Heulen als zum Lachen zumute. Als ob wir das nicht schon mehrfach erlebt hätten. Als ob uns die Methoden der Gegner innen und außen neu wären. Als ob wir nicht wüßten, wie wir diesen Methoden zu begegnen haben. Ihr kennt mich: Ich war nie ein Freund lauer Streicheleinheiten für bissige Tiere. ›Buchenwald‹ heißt mein Poem. Wir, die wir dort gewesen sind, wissen, was Faschismus heißt, und wir wissen ebenso, daß es die Flötentöne des Monopolkapitals sind, die die ewige Schlange des Nazismus immer wieder das giftige Haupt heben lassen. Wir, die wir Faschismus und Konzentrationslager überlebt haben, sind mit den Genossen der Roten Befreiungsarmee im festen Schwur angetreten, nie wieder ein solches Verbrechen zuzulassen. Aber der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch! Das ist mein klarer Standpunkt, der Standpunkt eines Kommunisten, der sein ganzes Leben dem Kampf gegen Revanchismus, Revisionismus und die vielfältigen Bestrebungen des Aggressors, uns zu vernichten, geweiht hat – mit der Waffe, aus der Patronenhülsen klirren, und mit der Waffe, von der Bleistiftspäne hobeln! Oh, ich verstehe sehr gut, was einige der anwesenden Herren und Damen bezwecken, auch wenn ihre Gesichter aufmerksam und scheinbar freundlich blicken. Sie wollen, daß wir so entscheiden, wie es dem Klischee über uns zupaß kommt; daß wir heute etwas tun werden, das wir zwar zu tun gezwungen sind, was aber gewissen Leuten aus den westlichen Medien nur das bestätigt, was sie uns von vornherein unterstellen. Sollten wir es diesen Typen wirklich so leicht machen? Andererseits: Sollten wir es uns leicht machen, indem wir die Dinge auf sich beruhen lassen? Manchmal muß man den Mut haben, das Erwartete zu tun. Manchmal muß man die Größe haben, berechenbar zu sein. Deshalb schlagen wir vor, daß nach der Diskussion unsere Versammlung folgenden Beschluß faßt:«
»Wieso kommt der Beschluß vor der Diskussion, Herr Schade?« »Kollege Blavatny, das ist nur ein Beschluß-Entwurf. – folgenden Beschluß faßt: Die Jahresvollversammlung des Verbandes der Geistestätigen unserer Republik hat sich mit dem Verhalten einer Reihe von Mitgliedern befaßt, die gegen ihre Pflichten als Verbandsmitglied verstoßen und das Ansehen des Verbands geschädigt haben. Die Versammlung erfüllte damit den Auftrag des zentralen Vorstandes des Verbandes der Geistestätigen, mit den von Günter Mellis in seinem Referat genannten Verbandsmitgliedern auf der Grundlage des Statuts des Verbandes der Geistestätigen eine prinzipielle Auseinandersetzung über ihre Positionen zu führen. Die im Referat von Genossen Mellis dargelegten Fakten beweisen, daß diese Verbandsmitglieder entgegen ihrer im Statut verankerten Verpflichtung, als aktive Mitgestalter der Entwickelten Sozialistischen Gesellschaft zu wirken, es für richtig und angebracht hielten, vom Ausland her gegen unseren sozialistischen Staat, die Kulturpolitik von Partei und Regierung und gegen die sozialistische Rechtsordnung in verleumderischer Weise aufzutreten. Damit haben sie sich in den Dienst der antikommunistischen Hetze gegen die DDR und den Sozialismus gestellt. Sie verletzen damit eindeutig das Verbandsstatut, besonders die Artikel I.1, II, III.2, IV.2, und erweisen sich der Mitgliedschaft im Verband der Geistestätigen der DDR als unwürdig. Die Mitgliederversammlung sieht sich daher gezwungen, die notwendigen Konsequenzen aus diesem Verhalten zu ziehen. Sie faßt den Beschluß, Judith Schevola, David Groth, Karlheinz Blavatny und Jochen Rieber aus den Reihen des Verbands der Geistestätigen der Deutschen Demokratischen Republik auszuschließen.«
»Kollegen, wir haben
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