Der Tyrann von Hades
Zusammenbruch. Solange er bei Bewußtsein blieb, konnte er immer noch wählen: Schloß er die Verbindung mit dem Terminal, würde er die Träume erdulden und leben; tat er das nicht, sondern wählte den einfachen Weg und blieb wo er war, würde er sterben. Wenn er nur bis zum Einsetzen des Komas durchhielt, würde ihm die Qual der Entscheidung für immer abgenommen werden.
Aber wie zuvor, als er den dunklen Flügelschlag des nahenden Todes spürte, erwies sich sein Lebenswille stärker als die Angst vor der furchtbaren Empathie. Es war kein bewußter Entschluß. Sein Unterbewußtsein steuerte das Lebenserhaltungssystem zum Terminal, und hinterher erinnerte er sich nicht mehr, wie er nach dem Terminalanschluß gegriffen hatte. Aber irgendwie wurde er aus der Halterung gezogen, und die Oberflächen der beiden Anschlüsse krachten mit einem Knall zusammen, den er nicht mehr wahrnahm. Und plötzlich überfluteten ihn wieder die fremden Träume!
Selbst eine Explosion im Inneren seines Körpers hätte keine schlimmere Wirkung zeitigen können. Er spürte, wie sonderbare Stürme ihn auseinanderrissen, ausweideten, atomisierten, auflösten. Dann verwandelte er sich plötzlich in ein vereinzeltes Bewußtsein, das im Weltraum schwebte. Sein Ich schien buchstäblich Millionen von Kilometern von seinem Körper entfernt. Er war ein immaterieller Zuschauer, der mitansehen mußte, wie eine kleine Sonne aus dem Raum fiel und auf einer Schale einschlug. Der Sturz des glühenden Balis wurde von einem zügellosen Zorn begleitet, der so mächtig und bösartig war, daß ihm nur die Worte ›kosmische Wut‹ angemessen erschienen. Die gewaltige Welle der Emotionen raste durch jedes Molekül von Land-as biomechanischem Verbundkörper, und er schnappte nach Luft, ausgezehrt und hilflos.
Die Empathie ließ ihn Zeus’ Zorn teilen…
Der grelle Stachel der Wut, den die abgeworfene Sonne repräsentierte, machte jetzt Wellen aus Schwärze und düsteren Vorahnungen Platz. Die dunklen Träume kehrten zurück, die kolossalen Unsicherheiten, das Gefühl, daß die Dinge unaufhaltsam seiner Kontrolle entglitten, die völlige Hilflosigkeit im Würgegriff des Tyrannen.
Das Antlitz des Tyrannen…
Der Behälter, in dem sich Land-as Körper befand, war fest an den Rollstuhl befestigt. Dennoch spürte er, wie er sich wand, wie ihn das Gefühl freien Falls schwindlig machte. Plötzlich erblickte er das Antlitz des Tyrannen und er versuchte zu verstehen, was ihm gezeigt wurde. Immer wieder schleuderte er der Herausforderung seinen Intellekt entgegen, und jedesmal prallte er von dem Konzept ab, wie ein Ball von einer Betonmauer. Dann brach er durch und verstand und ein einziger, unwillkürlicher Angstschrei drang aus seiner Kehle und erschütterte die dunkle und überhitzte Zelle.
Die Perspektive verschob sich erneut, ein Moment der Hoffnung schlich sich ein. Er erblickte eine Miniatur, fast ein Porträt, und erkannte das Gesicht. Ein Gesicht, das mit Fältchen und Runzeln übersät war, die ihm die Häßlichkeit eines Raubtiers verliehen – ein Löwe mit einer sich kräuselnden Mähne, ein Zerstörer mit dem Herz eines Menschen. Das Bild war unmißverständlich. Maq Ancor ging im Reich des Tyrannen um, und der furchtbare Zorn des Zeus beschützte ihn wie ein Schutzengel.
Kapitel 17
Ancor und Sine erhielten angrenzende Zimmer, die durch eine Tür miteinander verbunden waren. Die Zimmer waren groß und luxuriös, und Ancor hatte den Eindruck, daß sich nur selten Gäste im Haushalt Carim Carims aufhielten, diese aber für längere Zeit blieben. Dazu schien auch zu passen, daß es in der Gegend keine Straßen gab. Hier kamen und gingen die Menschen so selten, daß man keine Wege brauchte.
Während er badete, beobachtete Ancor, wie ein Roboter ins Zimmer kam und seine schmutzige Kleidung mitnahm. In Gedanken begrüßte er die vorbildliche Organisation von Carim Carims Haushalt. Er war sich sicher, daß seine Kleidung in kürzester Zeit gewaschen und gebügelt zurückgebracht würde. Aber der Roboter kehrte nicht zurück, und Ancor ging auf der Suche nach etwas zum Anziehen durch die Schränke. Er fand eine große Auswahl an Kleidung, die allesamt neu und ungetragen war. Als er sich anzog, wurde er überrascht: Jedes einzelne Kleidungsstück paßte wie angegossen, und selbst die Taschen für seine versteckten Waffen waren eingenäht worden.
Noch während er über diesen sonderbaren Zufall grübelte, kam Sine Anura durch die Tür. Sie trug ein
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