Der Tyrann von Hades
wir beginnen mit dir.«
»Wir haben alle inneren Schalen Solanas besucht«, sagte Ancor. »Aber dem kleinen Ausschnitt nach zu urteilen, den wir bisher von der Neptun-Schale gesehen haben, scheint sie mit Abstand die geringste Bevölkerungsdichte zu haben. Hat das einen Grund?«
»Natürlich!« sagte Carim liebenswürdig. »Wir lieben das Leben, und wir lieben das Gefühl, viel Platz zu haben. Im Gegensatz zu anderen Gesellschaften, von denen wir gehört haben, verdoppelt sich unsere Bevölkerung nicht alle dreißig Jahre. Um es genau zu sagen, hat sich die Bevölkerung der Neptun-Schale seit Jahrhunderten bei ungefähr fünf Billiarden Menschen eingependelt. Wir haben uns unseren Lebensraum verdient, Maq.«
Ancor nahm sich einen Augenblick Zeit, um die Zahlen zu überschlagen. Dann sagte er: »Aber das entspricht ungefähr 25.000 Quadratkilometern pro Person. Ist das denn angesichts der extremen Überbevölkerung auf den anderen Schalen gerechtfertigt?«
»Die Moral kommt hier nicht ins Spiel. Nur weil sich in irgendeinem Slum zehn Leute ein Zimmer teilen müssen, heißt das noch lange nicht, daß die Leute überall zu zehnt in einem Raum schlafen müssen. Diese Dinge sind relativ.«
»Aber Zeus verteilt den Bevölkerungsüberschuß und versucht, eine bestimmte Norm zu erfüllen. Aus irgendeinem Grund scheint dieses System auf der Neptun-Schale zusammenzubrechen. Carim, was geschieht mit all den Einwanderern, die mit den Speichen-Shuttles hier ankommen?«
»Ich hoffe, das ist eine rhetorische Frage. Ich weiß nicht, was mit ihnen geschieht, denn diejenigen, die Weiterreisen, können nie wieder zurückkehren und berichten. Man geht davon aus, daß sich die Schalen bis in die Unendlichkeit fortsetzen.«
»Dann laß mich die Frage anders formulieren. Warum bleibt anscheinend der Großteil der Auswanderer, die auf der Neptun-Schale ankommen, nicht hier?«
»Ah! Jetzt kommen wir zum springenden Punkt. Du vermutest, daß wir die Auswanderer auf irgendeine schändliche Weise zwingen, weiterzufliegen. Nun, du irrst dich. Alle Auswanderer sind gleichermaßen willkommen. Sie können bleiben oder ihre Reise fortsetzen. Wir erklären ihnen lediglich unser System und unsere Lebensweise und überlassen ihnen die Entscheidung. Fast alle entscheiden sich für die Weiterreise.«
»Das ist lachhaft!« sagte Sine. »Es wäre komplett verrückt, eure Lebensweise abzulehnen.«
Carim musterte sie interessiert. »Ich schildere euch lediglich, was geschieht. Ich versuche nicht, es zu erklären. Möglicherweise machen wir dir dasselbe Angebot, meine Liebe.«
»Ich wüßte die Antwort.« Sie warf Ancor einen abwägenden Blick zu, dann wandte sie sich wieder an Carim. »Versuch es einfach!«
»Lassen wir deine Aussagen für einen Augenblick so stehen, Carim«, sagte Ancor mit finsterem Gesichtsausdruck. »Wir sind natürlich auch verblüfft darüber, wieviel du über uns weißt.«
Carim grinste entzückt. »Das war nicht schwierig. Wir mußten lediglich den Solaren Identifile abfragen.«
»Was Zeus unter normalen Umständen nicht duldet.«
»Je weiter man sich von Zeus entfernt, desto geringer wird seine Macht. Und je größer eine Schale ist, desto weiter liegen die örtlichen Exekutivzentren auseinander. Auf der Neptun-Schale kann jeder mit der entsprechenden Ausrüstung auf den Identifile zugreifen. Wenn Zeus davon erfährt, ist es bereits zu spät.«
»So ungefähr hatte ich es mir vorgestellt. Jetzt erzähl uns von dem Tyrannen.«
»Ah, der kosmische Popanz! Der große solare Mythos. Der Tyrann existiert nicht, Maq. Ihr jagt einem Gespenst hinterher. Ihr könnt suchen, wo ihr wollt, ihr werdet ihn nie finden. Wenn euch das zur Neptun-Schale geführt hat, dann verschwendet ihr hier eure Zeit.«
»Ich glaube dir nicht«, sagte Ancor gleichmütig. »Irgend etwas Sonderbares geht auf der Neptun-Schale vor, und die Auswirkungen betreffen ganz Solaria. Insbesondere die Saturn-Schale, die derart überbevölkert ist, daß die Ordnung kurz vor dem Zusammenbruch steht. Wenn der Tyrann nicht existiert, dann etwas anderes. Und ich gedenke es aufzuhalten, was immer es sein mag.«
»Dann muß ich dich ab jetzt Don Quichotte Ancor nennen. Und Tez würde wohl einen hervorragenden Sancho Pansa abgeben. Aber dieses alberne Thema langweilt mich. Komm, Sine, ich zeige dir einige meiner Schätze. Laß Maq Windmühlen bekämpfen, du weißt es besser. Vergiß den Idealismus, wir erkunden lieber einige der Dinge, die das Leben lebenswert
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