Der Überläufer: Tweed 3
anderen schmalen, von Wald begrenzten Straße den Weg nach Süden ein. »Jetzt«, erklärte er, »fahren wir zu einem Ort, der Bodal heißt, nahe einem anderen Ort namens Brevik – an der Küste südlich von Hässelmara.«
»Ich habe es gefunden«, meldete sich Tweed, der auf der in größerem Maßstab gedruckten Karte von Ornö, die Hornberg aus dem Handschuhfach genommen hatte, die Route mitverfolgte. In der linken oberen Ecke stand »Ornökartan«, und man konnte genau sehen, welchen Weg die Fähre durch das Gewirr von Inseln, die aussahen, als hätte die Hand eines Riesen sie nach Gutdünken ins Meer gestreut, genommen hatte.
»Ich glaube, der grüne Saab ist immer noch hinter uns«, sagte Tweed, nachdem er einen Blick in den Rückspiegel geworfen hatte.
»Wahrscheinlich hat die Frau Angst, sich zu verirren. Unter der Woche ist es hier ziemlich ausgestorben.«
Die Straße wand sich durch den einsamen Wald. Hier und da führten geisterhafte Wagenspuren zu einem unter Bäumen vergrabenen Haus. Die Schweden liebten die Zurückgezogenheit, das stand fest, dachte Tweed.
Am Rand der kurvenreichen Straße waren in Abständen dünne, gelb und weiß bemalte Stangen in die Erde gesteckt. In größeren Abständen ragten dickere Masten in die Höhe, die Telefondrähte und darunter ein Kabel für die Energieversorgung trugen.
»Diese dünnen, gestreiften Stangen …«, begann Tweed.
»Für den Winter. Hoher Schnee verdeckt die Straße. Die einzige Möglichkeit, zu wissen, wo das verdammte Ding ist, besteht darin, zwischen diesen Stangen zu fahren. – Da sind wir schon. Das Haus meines Freundes.«
Hornberg lenkte den Wagen auf den ungeteerten Rand der Straße.
Unmittelbar daneben senkte sich der Hang hinab zum nur hundert oder zweihundert Meter entfernten Meer. Tweed stand am oberen Absatz einer Treppe aus weiten Stufen, die in den Hang geschlagen waren. Der grüne Saab fuhr vorüber, und die blonde Lenkerin winkte Hornberg; er winkte zurück.
Das große Haus, aus Bohlen erbaut, lag unterhalb des Straßenniveaus. Während Hornberg die Kühlbox vom Rücksitz nahm, stand Tweed und lauschte. Das Motorengeräusch des Saab verklang, und eine große Stille senkte sich über den Wald, über dem im Nebel der See eine blasse Sonnenscheibe hing – eine Stille, die man hören und greifen konnte.
Sie stiegen die Erdstufen hinunter, und während Hornberg mit dem Schlüssel an der Vordertür hantierte, wanderte Tweed außen herum. Das Gefühl überfiel ihn, Hunderte von Kilometern fern jeder Zivilisation zu sein, obwohl Hornberg ihm gesagt hatte, vom Zentrum Stockholms zur Fähre von Dalarö seien es nicht mehr als fünfzig Kilometer. Der Schwede winkte ihm, ins Haus zu kommen.
»Das Haus ist schon eine Zeitlang versperrt«, sagte er, als sie hineingingen. »Bei dem Wetter, das wir zuletzt hatten, wird es etwas kalt sein. Und das …«, er zeigte zum Fenster, »… ist die Ostsee.«
Hornberg ging herum und schaltete elektrische Wandstrahler ein.
Tweed sah sich mit Interesse um. Vor dem Eingang befand sich ein kleiner Vorraum. Links war die Küche, rechts das große Wohnzimmer, in das er jetzt dem Schweden folgte.
Die Möbel waren teuer und bequem – niedere Tische und Sessel, eine Couch. Große Fenster an der Schmalseite und an der Rückseite des Hauses, von wo aus man einen herrlichen Ausblick über den Hang auf die Küste hatte.
Tweed schaute aus dem Fenster. Das Haus stand auf einer ins Meer vorspringenden Landzunge. Hinter dem dünnen Vorhang aus hellgrünem Birkenblattwerk und dunkelgrünen Kiefern sah man eine Kette von Inseln, manche mit Föhren bedeckt. Er empfand die Stille als angenehm, bis Hornbergs Bemerkung ihn aufstörte.
»Beim Essen können wir uns vielleicht damit vergnügen, den sowjetischen U-Booten zuzusehen, wenn sie vorüberfahren.«
Tweed drehte sich um. Der SAPO-Chef wickelte unglaubliche Mengen von belegten Broten aus durchsichtiger Plastikfolie. Aus der Küche hatte er Teller geholt und darauf Essen gestapelt, mit dem sie sehr wohl eine Woche auskommen konnten.
»Verhungern können wir nicht«, bemerkte Hornberg. »Geräucherter Lachs, Schinken, Salat …«
»Mir läuft das Wasser im Mund zusammen«, erwiderte Tweed und ließ sich auf der Couch mit Blick auf Meer und Inseln nieder.
»Die Frau des Mannes, dem dieses Haus gehört, wird mich verfluchen«, fuhr der Schwede fort. »Vergiß nicht, das gute Porzellan zu benutzen – das war ihre letzte Anweisung.«
»Wir sind hier einquartiert«,
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