Der Überläufer: Tweed 3
sich bis zum Horizont hin.
»Warum haben Sie da hinten mit den Füßen gegen den Boden gestampft?« fragte Hornberg.
»Habe den Untergrund geprüft – ein Hubschrauber könnte überall mit größter Leichtigkeit landen.«
»Glauben Sie, sie holen Procane mit einem Hubschrauber ab?«
»Kommen wir zur Fähre um vier Uhr früh genug nach Hässelmara? Ich möchte gern am Ufer Spazierengehen – Fischer faszinieren mich immer«, antwortete Tweed, Hornbergs Frage nicht beachtend.
»Sicher. Dann fahren wir jetzt besser …«
Schweigend fuhren sie zurück, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. In Hässelmara ließ Tweed Hornberg beim Wagen und blieb fünfzehn Minuten weg, bevor er allein zurückkehrte.
Die Autos bildeten bereits vor der Anlegestelle der Fähre eine Schlange, und Tweed setzte sich vorn in den Volvo neben den Fahrersitz.
»Ich habe bemerkt, daß Sie sich mit dem Mann, dem das große Motorboot gehört, unterhielten«, sagte Hornberg.
»Er war der einzige, der Englisch sprach. Er erzählte mir von den Fischern – es gibt nur noch wenige, aber sie wissen eine Menge über die Inseln hier.
Er selbst vermietet im Sommer sein Boot an Touristen. Ich sehe übrigens, daß unsere Freundin mit dem Saab auch mit uns die Überfahrt macht.«
Vor ihnen, an der Spitze der Schlange, stand der grüne Saab mit seiner blonden Lenkerin. Hornberg nickte und sagte, er habe sie bereits bemerkt.
»Vielleicht steige ich aus, wenn wir auf der Fähre sind, und plaudere noch einmal mit ihr«, bemerkte er.
»Da fällt mir ein: verschwenden Sie nicht Ihre Zeit damit, Gunnar, Ihre Leute an den Anlegestellen der Fähre zu postieren«, riet Tweed.
»Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
»Weil sie nicht die Route über den Archipel nehmen werden, wenn sie Procane hinüberbringen. Nicht jetzt …«
Zwei Stunden später läutete das Telefon auf Karlows Schreibtisch.
Er unterbrach das Gespräch mit Rebet mitten im Satz und griff nach dem Hörer. Der Techniker in der Sowjetbotschaft in Helsinki hatte einen Anruf für ihn. Magda Rupescu war am Apparat, meldete sich unter dem schwedischen Pseudonym Elsa Sandell.
Sie sprach knapp und in Eile.
»Stornieren Sie für die erwartete Lieferung den Frachtweg über den Archipel. Unter keinen Umständen diese Route. Sie verstehen?«
»Darf ich fragen, warum?« wollte Karlow wissen und blickte hinüber zu Rebet, der am Nebenanschluß mithörte.
»Tweed. Ich muß schließen.
Nicht
diese Route«, wiederholte sie und unterbrach die Verbindung.
Hornberg nahm den Weg in die Innenstadt über die Brücke von Gamla Stan. Viele Pendler waren in der Gegenrichtung unterwegs. Sie fuhren durch die Altstadt. Tweed konnte am anderen Ufer das imposante Gebäude des
Grand Hotels
sehen.
»Ich glaube, ich werde die Frau in dem grünen Saab einmal unter die Lupe nehmen. Sie sagte mir, sie sei zu dem Schluß gekommen, Ornö sei nichts für sie, zu einsam. Aber sie hatte etwas an sich …«
»Hier ist ihre Autonummer.«
Tweed zog ein zerknülltes Stück Papier aus der Tasche und reichte es dem Schweden. Hornberg nahm es und stopfte es in seine Brusttasche.
»Danke. Ich hatte mir die Nummer gemerkt, aber aufgeschrieben ist aufgeschrieben. Sie stieg förmlich aufs Gas, als wir die Schnellstraße in die Stadt erreichten – überschritt die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Sie muß hier vor geraumer Zeit angekommen sein.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie sie überprüft haben?«
»Natürlich. Noch in dieser Stunde.«
Er setzte Tweed vor dem Hotel ab, und Tweed ging geradewegs in sein Zimmer hinauf. Er fand Ingrid in der Halle, als er aus dem Lift trat. Sie trug eine weiße Windbluse mit bis zum Hals hochgezogenem Reißverschluß und einen weißen Faltenrock.
Sie las in einem Magazin, blickte hoch und sah ihn durch ihre getönten Brillengläser an. Den Finger auf die Lippen legend, wies sie auf Helene Stilmars Tür und folgte ihm in seinen Schlafraum.
Während er die Tür versperrte und die Kette vorlegte, eilte sie um das Doppelbett herum und stellte das Radio an.
»Was ist geschehen?« fragte Tweed.
»Nach dem Frühstück nahm die Stilmar ein Taxi. Ich folgte ihr durch ganz Stockholm. Dreimal wechselte sie den Wagen, hintereinander. Dann aß sie im Café de la Paix auf Gamla Stan zu Mittag. Danach ging sie die ganze Drottninggatan entlang zu Fuß und besah sich die Schaufenster. Auf der Hamngatan nahe dem NK-Kaufhaus verschwand sie. Ein paar Minuten später fand ich sie wieder, sie
Weitere Kostenlose Bücher