Der Überläufer: Tweed 3
im Auge. Die Lage spitzt sich etwas zu …«
»Hauptsache, Sie wissen’s. Ich gehe lieber wieder hinaus.«
Ingrid wartete, bis er draußen war, bevor sie eine Bemerkung machte. Sie saß wie vorhin auf dem Bett und wartete, während Tweed sich an seinem Koffer zu schaffen machte. Er nahm einige dünne Ordner heraus, hob sein Aktenköfferchen aufs Bett, das er ins Flugzeug mitzunehmen gedachte.
Mit einer Nagelfeile hob er den Boden des Köfferchens und legte das Geheimfach frei. Sehr sorgfältig legte er die Ordner in das Fach, so daß sie genau hineinpaßten, brachte den falschen Boden wieder an Ort und Stelle und stapelte dann Zeitungen, Versicherungsmagazine und einen Stoß Versicherungspapiere darauf. Er schloß das Köfferchen und kehrte zu seinem Sessel zurück.
»Butler ist nicht glücklich«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»Warum ist er nicht glücklich?«
»Der Druck wirkt sich aus. Er ist schwer gestreßt. Niemand weiß in dieser Phase, was passieren wird. Die Ungewißheit zerrt an den Nerven der Leute. Und gegen die Ungewißheit kann man schwer etwas tun.«
»Aber Sie wirken ruhig und entspannt. Und Sie sind der Boss. Sie sollten gestreßt sein.«
»Sollte ich«, gab Tweed zu, nahm die Brille ab und rieb die Gläser mit seinem Taschentuch. »Aus der ganzen Angelegenheit ist ein schreckliches Durcheinander geworden. Aber das kann eben passieren. Und alle sind von mir abhängig. Also werde ich kalt wie Eis …«
Er brach ab, da jemand an die Tür klopfte, ein dringliches Klopfen, das keinerlei Ähnlichkeit mit dem unregelmäßigen Getrommel von vorhin hatte. Tweed stand auf und gab Ingrid einen Wink, sich im Badezimmer zu verstecken. Sie sprang vom Bett, strich die Decke glatt, auf der sie gesessen hatte, griff nach ihrer Tasche, sah sich im Raum um, um sicherzugehen, daß keine weiteren Spuren ihrer Gegenwart zurückblieben, und verschwand im Badezimmer, die Tür angelehnt lassend.
Tweed besah sich im Spiegel, fuhr sich mit der einen Hand durchs Haar und öffnete die Tür.
Der Mann, der vor ihm stand, war Stilmar, ein sehr aufgeregt wirkender Stilmar.
Stilmar leerte das Glas Scotch, das Tweed ihm eingeschenkt hatte, in zwei Zügen. Tweed suchte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, goß sich ein Glas voll, um dem Scotch Zeit zu lassen, seine Wirkung zu entfalten. Er setzte sich in seinen Sessel und schaute den Amerikaner an, der im Sessel gegenüber Platz nahm.
»Ich hatte soeben eine wüste Auseinandersetzung mit meiner Frau«, brach es aus Stilmar hervor. »Ich beschuldigte sie, mit Cord Dillon ein Verhältnis zu haben, und sie leugnete es ab. Sie tobte und schrie mich an.«
»Normale Reaktion – unter den gegebenen Umständen«, bemerkte Tweed.
»Ich glaube, sie versteckte jemanden im Badezimmer. Ich brachte es nicht über mich, nachzusehen, wer es war …«
»Vielleicht sollten Sie auch mein Badezimmer überprüfen?«
»Ach, um Himmels willen! Können Sie sich den Skandal vorstellen, wenn das durchsickert? Wenn Sie Procane ist? Sie war bleich vor Zorn.«
»Wie ich schon erwähnte, eine normale Reaktion. Nehmen wir an, sie hätte Sie in derselben Sache beschuldigt?«
»Sie haben recht. Ich wäre in die Luft gegangen, nehme ich an.
Das Problem ist, ich muß in Kürze heimlich nach Helsinki abreisen. Ein inoffizielles Treffen mit – nun, Sie können es erraten.«
»Unsere Freunde in Moskau fangen schon an, sich nach allen Seiten abzusichern – sie beginnen zu glauben, daß Reagan gewinnen muß. Auf diese Entwicklung habe ich gewartet.«
»Könnte ein Bluff sein«, protestierte Stilmar. »Bloß etwas, um uns abzulenken – um Adam Procane zu decken, wenn er dabei ist, überzuwechseln. Haben Sie daran gedacht? Und in einem solchen Augenblick muß meine Frau mit Dillon, diesem Bastard, Mann und Frau spielen.«
»Sind Sie ganz sicher, daß Sie recht haben?« fragte Tweed sanft.
»Ich meine, ich setze voraus, Sie haben einen positiven Beweis?«
»Also … nein. Einen starken Verdacht, ja. Zufällig wurden sie von einem Freund von mir gesehen, wie sie in Washington gemeinsam in dasselbe Haus gingen. Aus welchem Grund sonst sollten sie das tun?«
»Wie ist gegenwärtig Ihr Verhältnis zueinander – zwischen Ihnen und Helene?«
»Wir haben eine große Auseinandersetzung gehabt. Sie will mich einige Tage lang nicht sehen. Sie sagt, sie braucht Zeit, um darüber nachzudenken, dann können wir wieder miteinander reden.
Mir ist nicht nach Warten zumute. Ich muß nach Helsinki –
Weitere Kostenlose Bücher