Der Überläufer: Tweed 3
und ich würde gerne wissen, wo ich stehe, bevor ich diese Reise mache.«
»Lassen Sie die Sache für ein paar Tage ruhen«, riet Tweed.
»Fahren Sie nach Helsinki, tun Sie Ihre Arbeit, und dann, wenn Sie zurück sind, gehen Sie zu ihr. Übrigens«, fügte er beiläufig hinzu, »weiß Sie, daß Sie nach Finnland fahren?«
»Natürlich nicht.« Stilmar schien über diese Frage überrascht zu sein. »Es handelt sich um eine höchst geheime Mission.« Er schwieg kurz. »Sie werden sich fragen, warum ich zu Ihnen komme und mit Ihnen darüber rede.«
»Weil Sie mit niemandem von Ihren Leuten reden können.«
»Das ist es.« Wieder war Stilmar überrascht. »Ich weiß, daß Sie ein Mann sind, der den Mund halten kann.« Er zupfte an seinen Rockaufschlägen und erhob sich. »Ich muß gehen. Normalerweise setze ich mich mit meinen Problemen selbst auseinander – aber manchmal gerät man ganz schön unter Druck. Bleiben Sie sitzenich finde selber hinaus.«
Tweed blieb ruhig sitzen, bis er gegangen war; Ingrid erschien und legte die Türkette vor.
»Armer Mensch. Er tut mir leid …«
»Es sei denn, er wäre ein vollendeter Schauspieler. Der Mann ist nicht zu unterschätzen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es kann echt sein. Heirat ist ein schwierigeres Unternehmen, als den meisten Leuten klar ist. Aber es kann auch etwas ganz anderes dahinterstecken.«
»Ich verstehe noch immer nicht.«
»Der Vorfall mit seiner Frau, den er beschrieb, war für ihn die ideale Gelegenheit, mich darüber zu informieren, daß er nach Finnland fährt. Wenn er Procane ist, wäre es ein brillantes Manöver, mir offen zu sagen, daß er dorthin muß und warum. Und wir haben es mit einem brillanten Mann zu tun. Er wird vermuten, daß er unter Beobachtung steht – also beschwichtigt er unser Mißtrauen, indem er uns über alle seine Schritte in Kenntnis setzt.«
»Sie trauen keinem.«
»Ich kann es mir nicht leisten.«
Tweed stand auf und ging zu seinem Koffer. Er schloß den Deckel, drückte die Schlösser zu und versperrte sie. Er richtete sich auf und sah Ingrid an.
»Halten Sie sich auf die Sekunde bereit.«
»Gepackt habe ich schon.« Ingrid zögerte. »Sie haben Helenes Akte durchgesehen. Haben Sie etwas gefunden?«
»Helene hat eine Schwester, die in Stockholm lebt. Aber die Akte gibt nur knappe Angaben über Helenes Herkunft. Die kompletten Einzelheiten liegen in London. . .« Er kehrte zu seinem Sessel zurück und schaute auf die Uhr. Es war das einzige äußerlich Anzeichen dafür, daß die Spannung in ihm zunahm.
»Als nächstes«, informierte er sie, »müssen wir unsere Platzreservierung auf die letzte Maschine heute abend umbuchen. Das ist Flug SK 708 mit dem Abflug um neunzehn Uhr fünf. Und wenn Sie das tun, besorgen Sie drei weitere Tickets für Butler, Nield und Fergusson – aber auf die folgenden Namen …«
Er nahm den Schmierblock vom Couchtisch und kritzelte drei Namen darauf. P. Joseph, D. Carson, A. Underwood. Er riß das Blatt vom Block und reichte es ihr.
»Aber ich habe Ihren Platz auf Ihren Namen gebucht«, sagte sie.
»Lassen Sie es so.«
»Sie glauben, wir werden diesen Flug nehmen?«
»So wie die Dinge sich entwickeln, sieht es sehr danach aus. Meine Hoffnung ist, daß ich nach Helsinki komme, bevor Newman etwas Gefährliches unternimmt …«
Zwei Stunden später läutete das Telefon, und Tweed fragte sich, ob er telepathische Fähigkeiten habe. Der Anruf kam von Laila.
Sie sprach beherrscht, aber unter der Oberfläche witterte Tweed höchste Besorgnis.
»Ist etwas?« fragte er.
»Newman ist wieder verschwunden. Ich rufe von meiner Wohnung aus an …«
»Verschwunden? Was meinen Sie damit, Laila? Erzählen Sie.«
»Ich wollte ihn im ›Hesperia‹ anrufen, und er war ausgezogen. Er bezahlte die Rechnung und hatte den Koffer bei sich. Tweed, können Sie heute noch nach Helsinki kommen? So schnell wie nur möglich? Oh,
bitte.«
»Er hat keine Nachricht hinterlassen?«
»Nein. Aber vielleicht eine für Sie.«
»Vielleicht?
Sie wissen es nicht?«
»Der Mann an der Rezeption fragte mich nach meinem Namen.
Dann gab er mir einen an mich adressierten Umschlag. Darin fand ich einen anderen Umschlag – an Sie adressiert. Er fühlt sich an, als wäre ein kleiner Schlüssel darin …«
»Machen Sie ihn auf, ich warte.«
Er wartete, legte die Hand auf die Sprechmuschel. Ingrid sah seinen Gesichtsausdruck und trat zu ihm.
»Ist das die schlechte Nachricht?« fragte sie.
»Neues Problem. Bei
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