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Der Überläufer: Tweed 3

Der Überläufer: Tweed 3

Titel: Der Überläufer: Tweed 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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nicht daran, daß Karlow bei ihrem Besuch derart Regie führen würde, daß Newman über Estland – einerlei, wie die Dinge sich dort wirklich verhielten – so schreiben konnte, daß die Republik mit reiner Weste dastünde. Jede Spannung, die Laila durch ihre Artikel erzeugt hatte, würde sich in Luft auflösen.
    »Jetzt heißt es nur noch beten, daß es auch funktioniert«, sagte er und verließ den winzigen Raum. Er informierte Pauli, daß er fertig sei und dankte ihm. Als er die Treppe hinaufstieg, dachte er, daß er mit einem Fuß bereits auf dem Drahtseil stand.
    »Tallinn qualmt bereits. Bald werden wir Feuer sehen.«
    Lysenko machte die Bemerkung und rieb sich dabei zufrieden die groben Hände. Er starrte auf den Telefonhörer, den er gerade aufgelegt hatte. Aktion! Das war’s, wonach er sich sehnte.
    Schlachtenlärm, das Donnern der Kanonen. Der Gedanke daran hatte ihm die Worte eingegeben.
    »Neue Entwicklungen?« fragte Rebet und blickte von dem neuen Bericht über das von Procane gelieferte Material hoch, der eben aus Moskau eingetroffen war.
    »Karlow. Hat soeben in Helsinki ein äußerst provokatives Gespräch mit Mauno Sarin geführt. Stellen Sie sich vor, was Sarin vorgeschlagen hat! Daß er einen westlichen Reporter nach Tallinn mitbringt, der einen Artikel über das friedliche Estland schreiben würde!«
    »Welcher Reporter?«
    »Ein Engländer. Heißt Robert Newman. Was glaubt er denn, was wir hier tun? Glaubt er, wir veranstalten Prominentenreisen nach Tallinn?«
    »Soweit ich mich erinnere, ist dieser Newman sehr objektiv«, bewies Rebet seine Belesenheit. »Wir sollten ihn durch den Computer in Moskau überprüfen lassen.«
    »Sie meinen also, er soll herkommen!«
    »Schauen Sie sich noch einmal ›Le Monde‹ an und die Übersetzung, die auf Ihrem Schreibtisch liegt.«
    »Aber da handelt es sich um den Tod von Alexis Bouvet.«
    »Das haben sie offensichtlich aus dem Bericht einer Zeitung in Helsinki übernommen. Und am Tag darauf brachte dieselbe Zeitung in Helsinki die unbestätigten Berichte über die Morde an GRU-Offizieren in Tallinn! Was also wird der nächste große Aufmacher in ›Le Monde‹ sein?«
    »Wir streiten alles ab. Wie immer.«
    »Und wieviel Gewicht, glauben Sie, mißt man solchen Dementis im Westen noch bei?« Rebet verbarg seinen Ärger nicht. »Die Story eines angesehenen britischen Journalisten dagegen würde, sofern es machbar ist, die ganze Sache vernebeln.«
    Rebet war ein ungewöhnlicher Mann. Als Administrator ein Fachmann ersten Ranges – ohne ihn wäre Lysenkos Abteilung das Chaos in Reinkultur gewesen –, hatte er zudem auch noch ein Fingerspitzengefühl für Propaganda. Es war doch weit besser, die westliche Presse so zu manipulieren, daß sie für einen die Arbeit tat, als immer wieder dieses ermüdende Gekeife loszulassen, wie es die
Prawda
praktizierte.
    »Wir geben am besten den ganzen Fragenkomplex an Moskau weiter«, beschloß Lysenko. »Informieren Sie sie sofort und lassen Sie Newman vom Computer durchleuchten. Vor allem aber betonen Sie, daß die Idee von Oberst Karlow in Tallinn stammt …«
    Womit alles, speziell deine eigene Position, abgesichert ist, dachte Rebet und griff zum Telefon.
    Die Sache hatte auch noch einen faszinierenden Aspekt, der keinem der beiden in den Sinn kam: daß sie es waren, die manipuliert wurden. Mauno Sarin hatte drüben in Helsinki, auf Paulis Stuhl im Untergeschoß sitzend, den Plan nach jeder Richtung hin ausgearbeitet. Biete dem Bären einen genügend schmackhaften Brocken an, und die Chancen stehen gut, daß er ihn mit einem Biß herunterschluckt.
    Manchmal lächelt einem das Glück. In Genf wurde Alain Charvet in seiner Privatauskunftei von einem Fremden angerufen, der französisch mit russischem Akzent sprach. Der Anrufer erklärte, er sei eben erst angekommen und habe hier die Aufgaben eines anderen übernommen. Dieser andere sei Klient von Charvet gewesen und »nach Hause« gefahren – worunter, wie Charvet annahm, wohl Moskau zu verstehen war. Sie vereinbarten, sich in einem kleinen Café in der Altstadt nahe dem Polizeipräsidium zu treffen.
    Insgeheim war Charvet amüsiert, als er den Namen seines neuen Klienten erfuhr. Sein Englisch war exzellent, und am Telefon hatte er sich als Lew Schitow vorgestellt. Im Geist sah er Schitow bereits vor sich; doch als er das Café betrat, erwies sich die Realität als noch schlimmer als seine Vorstellung.
    Ein Tölpel. Diese Bezeichnung war ihm zuerst eingefallen. Jetzt

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