Der Überläufer: Tweed 3
gesagt. Und in diesem Netz von Mädchen war Ingrid die vielleicht verläßlichste und ergiebigste Nachrichtenquelle.
Ein Mädchen mit Sinn fürs Praktische, das eigenständig handelte. Weiterhin über ihren Ordner gebeugt, ließ Monica eine Bemerkung fallen.
»Sie hätten ihr andeuten können, daß Sie nach Stockholm fahren.
Sie mag Sie sehr.«
»Sie wissen, daß ich nie im voraus bekanntgebe, wohin ich mich bewegen werde, wenn ich es vermeiden kann.«
»Sie weiß, was Geheimhaltung ist.«
»Sie ist sehr gut«, stimmte Tweed bei, immer noch vor sich hinstarrend. »Sie erwähnte sogar die Versicherung – für den Fall, daß jemand unser Gespräch abhörte. Ich glaube, sie ist die einzige, die ahnt, was mein wirklicher Beruf ist.«
»Ist es gefährlich für sie?« fragte Monica.
»Es ist immer gefährlich – vor allem dann, wenn man es am wenigsten erwartet.«
»Tweed, geben Sie auf das Mädchen acht. Wenn ihr etwas passierte, würde ich es Ihnen nie verzeihen.«
Er blickte sie erstaunt an. In all den Jahren ihrer Zusammenarbeit hatte Monica nie so zu ihm gesprochen. Die Bemerkung machte ihn schwankend. Sorge überkam ihn, und er faßte einen raschen Entschluß.
»Sorgen Sie dafür, daß ich an jedem der kommenden Tage nach kurzfristiger Voranmeldung jede beliebige Maschine nach Stockholm benutzen kann.«
Am darauffolgenden Vormittag traf eine Nachricht ein, die Tweeds Besorgnis noch verstärkte – wie Monica aus seinem Verhalten ablesen konnte. Es war natürlich Howard, der die gute Kunde überbrachte. Er kam ins Büro geschlendert, schloß die Tür, setzte sich auf die Ecke von Tweeds Schreibtisch und verschränkte die Arme. Er war die Freundlichkeit in Person, aber Tweed, der sich mit im Schoß gefalteten Händen in seinem Stuhl zurücklehnte, spürte die Feindseligkeit hinter dem liebenswürdigen Verhalten seines Vorgesetzten.
»Wenn ich recht informiert bin«, begann er, »… es sei denn, ich bin da völlig auf dem Holzweg, was sehr wohl sein kann. Und das erschwert die Sache für uns alle ein bißchen.«
Er betrachtete eingehend die Fingernägel seiner rechten Hand.
Herrgott, dachte Tweed, komm schon heraus damit. Aber er blieb still.
»Wenn ich recht informiert bin«, begann Howard wieder, »sind Sie an jedem hochrangigen Amerikaner interessiert, der derzeit unser Eiland betritt.«
Tweed sah, wie Monica hinter Howards Rücken angesichts dieser aufgeblasenen Formulierung zusammenfuhr. Er nickte, um Howard zu veranlassen, endlich aufzuhören, um den Brei herumzureden.
»Es wird daher«, fuhr Howard fort, »in Ihrem Interesse liegen, zu erfahren, daß General Paul Dexter, Generalstabschef der USArmee, heute morgen mit einer Sondermaschine in Lakenheath in East Anglia gelandet ist. Wichtig für Sie?«
Tweed erhob sich langsam und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Er stand mit dem Rücken zur Wandkarte. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts von dem, was er dachte.
»Weiß man, warum er hier ist?« fragte er.
»Eine Inspektionsreise. Er wird mehrere NATO-Stützpunkte in Dänemark und Norwegen besichtigen. Zuerst aber will er mit Ihnen zusammenkommen. Im Verteidigungsministerium. In Lanyons Büro. Heute vormittag. Punkt elf.« Er ging zur Tür und blieb stehen, bevor er sie öffnete. »Er ist ein Pünktlichkeitsfanatiker, scheint mir.«
»Arroganter Kerl«, flüsterte Monica, als die Tür sich geschlossen hatte. »Er weiß, daß Sie immer pünktlich sind.«
»Und schlechter Laune ist er auch«, erklärte Tweed und starrte auf die Landkarte.
»Ihnen ist doch wohl klar, daß er wegen dieser Direktive der Premierministerin wild um sich schlägt und hofft, sie fallen dabei platt auf die Nase, und er wird sie dann los.«
»Davon ist mir nichts bekannt.«
»Aber mir. Was ist los? Sie sehen drein, als wäre gerade eine Bombe explodiert.«
»Schon wieder Skandinavien. Und noch ein hochrangiger Amerikaner.« Tweed starrte weiter auf die Karte und schien laut zu denken. »Langsam wird’s brenzlich.«
»Sie wissen, wie spät es ist?«
»Ja. Howard hat mich absichtlich im letztmöglichen Augenblick verständigt, der es mir noch erlaubt, pünktlich im Verteidigungsministerium zu sein.«
Von einem Major in Uniform wurde Tweed bis zur Tür des Obersten Lanyon vom militärischen Abwehrdienst gebracht. Als Tweed eintrat, war von Lanyon nichts zu sehen. Ein Amerikaner, Anfang der Fünfzig, in Hemdsärmeln, erhob sich hinter Lanyons Schreibtisch, um ihn zu begrüßen.
»Schön von Ihnen, daß Sie
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