Der Überläufer: Tweed 3
auftaucht.«
»Danke. Ich halte Sie auf dem laufenden.«
Monica legte auf, nahm ihren Drehbleistift zur Hand und drehte ihn zwischen den Fingern. Genaugenommen hätte sie die letzte, ermutigende Bemerkung nicht machen dürfen, aber auf eigene Faust draußen arbeiten zu müssen, konnte eine verdammt einsame Angelegenheit sein. Monica wurde auch den Gedanken nicht los, daß es außerdem gefährlich werden konnte. Was zum Teufel hatte Tweed vor?
»Irgendwelche Entwicklungen?« fragte General Lysenko forsch, als er sein Büro in Leningrad betrat.
»Ja«, antwortete Rebet. »Sehr eigenartige Entwicklungen. Die Amerikaner kommen in Schwärmen nach Europa. Zwei Meldungen sind eben hereingekommen. General Paul Dexter, US-Stabschef, ist gestern mit einer Militärmaschine von der Luftwaffenbasis Andrews abgeflogen.«
»Wieso wissen wir das?« stieß Lysenko hervor.
»Wir haben einen Mechaniker in Andrews, der uns für Geld Informationen liefert. Er half mit, die Maschine klarzumachen, und hörte, daß sie für einen Flug nach England bestimmt war.
Später sah er Dexter an Bord gehen, woraufhin die Maschine sofort startete.«
»Und die zweite Meldung?«
»Unser Beobachter beim Britischen Verteidigungsministerium sah Dexter ins Gebäude hineingehen. Unsere Leute in Heathrow sind angewiesen worden, Ausschau nach ihm zu halten, für den Fall, daß er eine Maschine nach Europa nimmt.«
»Haben sie Dexter dort ankommen sehen?« drängte Lysenko.
»Nein. Aber er flog mit einer Militärmaschine. Das deutet darauf hin, daß sie auf einem der amerikanischen Militärflugplätze in East Anglia gelandet ist. Er wollte also unbemerkt da eintreffen.«
»Unmöglich, daß er Procane ist«, grübelte Lysenko laut.
»Er hätte Zugang zu allen Informationen, die Procane geliefert hat«, führte Rebet aus.
»Und der Kreml hat mir soeben mitgeteilt, daß man diese Informationen als echt ansieht«, ergänzte Lysenko triumphierend.
»Ein Schlag für Oberst Karlow und diese verdammten skeptischen Berichte, mit denen er mich eindeckt. Procane existiert. Und Procane kommt. Sagen Sie das Karlow. Er soll so bald wie möglich ein Treffen mit Mauno Sarin in Tallinn arrangieren. Sarin wird es wissen, wenn einer dieser Amerikaner von Schweden auf finnisches Territorium hinüberwechselt. Er muß Sarin sagen, daß wir es als einen Akt der Feindseligkeit ansehen werden, wenn er uns nicht sofort davon informiert, sobald dieser Agent des Westens in Finnland eintrifft.«
»Agent des Westens? Procane? Ich verstehe nicht.«
»Weil Sie nicht die andere Seite des Hügels sehen – wie das der Herzog von Wellington immer getan hat.« Auf dem Gebiet der Militärgeschichte äußerst belesen, ließ Lysenko keine Chance aus, seine Gelehrsamkeit zu zeigen.
»Ich verstehe trotzdem nicht«, sagte Rebet beharrlich. »Procane ist doch unser Mann.«
»Aber das binden wir Mauno Sarin, diesem gerissenen Hund, nicht auf die Nase. Wir lassen ihn glauben, Procane sei ein amerikanischer Agent, der die Kühnheit hat, die finnische Neutralität in Mißkredit zu bringen. Er wird dann keine Sekunde zögern, ihn an uns auszuliefern.«
Rebet nickte. Lysenko war immer für eine Überraschung gut.
Gelegentlich zeigte er außerordentliches Geschick, andere zu manipulieren. Das hier, mußte er zugeben, war ein raffinierter Schachzug.
»Aber wir wissen noch immer nicht, wer Procane ist«, brachte er seinem Chef in Erinnerung.
»Wir haben jetzt viele Kandidaten für die Rolle. Wir wissen, daß Cord Dillon nach Europa geflogen ist, daß kurz danach Stilmar aus Washington eintraf. Jetzt haben wir den hochberühmten Paul Dexter auf Besuch in Europa – wo er erst vor zwei Monaten gewesen ist. Warum dieser plötzliche zweite Besuch? Merken Sie sich meine Worte gut, Rebet. Einer von diesen dreien ist Procane.
Und jetzt? Rufen Sie Oberst Karlow an.«
Von seinem Standpunkt aus gesehen, stimmte, was Lysenko über den gegenwärtigen Stand der Dinge ausgesagt hatte. Doch hatte er einen weiteren Kandidaten übersehen. Helene Stilmar.
17
»Ich weiß, wo Alexis ermordet worden ist«, sagte Newman zu Laila.
Seine Stimme war ohne Klang, sein Gesicht hart und erstarrt. Sie saßen in seinem Doppelzimmer im
Hesperia
in Helsinki. Laila hatte es sich nahe bei ihm bequem gemacht, saß auf der Armlehne seines Sessels.
Sie waren einander nähergekommen, hatten sie doch nun etliche Tage gemeinsam verbracht, waren gemeinsam durch die Straßen der Stadt gewandert. Sie hatten nicht miteinander
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