Der Überläufer: Tweed 3
herumgegangen. Er hatte auch genau beobachtet, wie sie den Raum verließ.
Wie sehr jemand sich auch Mühe geben mag, sein Aussehen zu verändern, es wird ihm wohl kaum gelingen, seinen Gang zu ändern. Tweed erkannte Magda Rupescu sofort an der Art, wie sie ging. Zudem leuchtete das Rot ihres Haares unter dem Schal hervor. Er ging ihr nach.
Vor dem Hotel stieg sie in einen zweitürigen Volvo, ließ den Motor an und fuhr davon. Tweed stand auf dem Bürgersteig, prägte sich die Autonummer ein und kehrte in sein Zimmer zurück.
Er setzte sich in einen Fauteuil, nahm sein kleines Notizbuch heraus und trug die Nummer ein. Das Ganze schien ein glücklicher Zufall zu sein. Aber wenn Tweed sich mit Problemen herumschlug, tat er das nie in der Isoliertheit eines Hotelzimmers. Sein Denken lief rascher in der Öffentlichkeit eines Restaurants oder einer Hotelhalle. Er bewegte sich viel, wenn er außerhalb des Park Crescent Dienst tat.
Während er sich über die Bedeutung dieser neuen Entwicklung Gedanken machte, fuhr Magda Rupescu im Gefühl des Triumphes nach Solna zurück. Das
Grand Hotel
war das fünfzehnte Hotel gewesen, in dem sie nachgefragt hatte – jedesmal unter Anwendung desselben Tricks. Stelle nie eine Frage, wenn du etwas erfahren willst. Stelle eine positive Behauptung auf. »Ein Mr.
Tweed wohnt hier …« Dann wird die Person, die du so ansprichst, bereit sein, deine Behauptung zu bestätigen, falls diese richtig ist.
Es war ein Trick, den die Geheimdienste in der ganzen Welt anwendeten: er bildete den grundlegenden Ausgangspunkt einer jeden Befragung.
Sie hatte es zuerst bei den kleineren Hotels versucht – unter der Annahme, daß Agenten sich in unbekannten Absteigen zu verbergen pflegten. Selbst jetzt, auf der Rückfahrt nach Solna, wunderte sie sich darüber, daß Tweed das
Grand Hotel
gewählt hatte.
Poluschkin klapperte indessen in einem anderen Teil der Innenstadt die Hotels ab. Sie hatte eine Liste erstellt und zwischen ihnen aufgeteilt. Jetzt wissen wir, wo der Feind ist, dachte sie, als sie vor dem Wohnblock in Solna anhielt. Aber er weiß nicht, daß wir es wissen …
Gunnar Hornbergs Rückruf auf Tweeds Anfrage hin erfolgte sehr rasch.
Tweed kritzelte fünfzackige Sterne in sein Notizbuch, im Schlafzimmer entspannt im Armsessel sitzend, als das Telefon läutete.
»Die Fahrzeugregistrierung dieses Volvo, dessen Kennzeichen Sie mir nannten, ist durchgegeben worden«, informierte er Tweed. »Wollen Sie mir vielleicht mitteilen, was für eine Bewandtnis es damit hat?«
»Nicht am Telefon.«
»Dann wahrscheinlich auch nicht, wenn wir uns das nächste Mal treffen. Ich weiß nicht, warum wir Sie so großzügig behandeln, Tweed.«
»Weil ich Ihnen in der Vergangenheit sehr nützlich gewesen bin.«
»Es hat also etwas mit unserem Gespräch in meinem Büro zu tun?«
»Eigentlich nicht«, log Tweed. »Mein Notizbuch ist bereit.«
»Die Adresse ist Bredkilsbacken 805, 17155 Solna. Mieterin der Wohnung ist eine Elsa Sandell – mit zwei l. Dafür ist natürlich eine Amtsgebühr zu entrichten.«
»Buchen Sie sie von meinem Konto ab«, erwiderte Tweed den Scherz, dann dankte er Hornberg und hängte ein, bevor der Schwede sich weitere Fragen einfallen lassen konnte.
Das war alles recht zufriedenstellend. Nun mußte er nur warten, bis Butler und Nield eintrafen, um die Wohnung in Solna unter Überwachung stellen zu können. Er bezweifelte, daß die Rupescu allein arbeitete.
»Tweeds Aufenthaltsort in Stockholm ist ausgekundschaftet worden«, teilte General Lysenko Oberst Karlow mit frohlockender Stimme mit.
Er machte diese Ankündigung, während er in das Büro seines Untergebenen in Tallinn schritt, den Mantel auszog und über die Lehne des nächsten Stuhls warf. Karlow, der von Lysenkos Besuch nicht verständigt worden war, kräuselte die Lippen. Daß Tallinn nur 300 Kilometer westlich von Leningrad lag, war ein Nachteil: Lysenko konnte jederzeit eine Maschine besteigen und in die estnische Hauptstadt fliegen.
»Sind Sie sicher?« fragte Karlow.
»Natürlich bin ich sicher!« sagte Lysenko. »Er wohnt im ›Grand Hotel‹ Man hat mich heute früh davon informiert.«
»Wer?«
»Magda Rupescu. Sie wissen, daß wir sie vor drei Jahren in Schweden placiert haben. Das Mädchen ist gut – sie liefert immer.
Und Sie wissen auch, daß Oleg Poluschkin ihr Helfer ist.«
»Sie wird das genießen«, kommentierte Karlow. »Die beiden sind ein hübsches Paar.«
Er blickte auf, als jemand an die
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