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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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betrat, denn dann konnte es sich nur um eine ungeplante Situation handeln. Carl hatte mich und Cathleen Nebe gesehen.
    Die Deckenbeleuchtung im Laborraum war nicht eingeschaltet, lediglich ein am Boden aufgestellter Scheinwerfer beleuchtete die abgeschalteten, eingefrorenen Vorgänger der jetzigen S-bots. Der Boden, die Wände und die Decke gingen ineinander über, die einzigen Konturen waren die Roboter und die Hindernisse, die sie überwinden sollten. Cathleen Nebe trug einen schwarzen Hosenanzug und ein schwarzes T-Shirt, ihr Körper verschmolz völlig mit dem Hintergrund. Nur die rechte Gesichtshälfte war beleuchtet, ein stilisierter Halbmond schwebte in der Dunkelheit. Über einem Hals, dessen Konsistenz nicht zuließ, dass sich seine Inhaberin noch als junge Frau ausweisen konnte.
    Dort, wo sich die Schmerzbahnen trafen, schien mein Körper zu implodieren. Ich glaubte zu wissen, was jetzt kommen würde. Cathleen Nebe war nicht Kauffrau, sondern Ingenieurin. Ein Kaufmann hätte sich nicht die Mühe gemacht, mit mir über den Hof zum Roboterlabor zu gehen und es in Augenschein zu nehmen. Die Tatsache, dass ich unter falschem Etikett eine Kostenstelle betrieb, die keinen rechenbaren Nutzen für das Werk oder die Geschäftseinheit erbrachte, hätte völlig hingereicht. Die Ingenieurin wollte mir zusätzlich beweisen, dass meine Roboterexperimente keinen technologischen Nutzen brachten.
    Ich rührte mich nicht, meine Glieder waren gelähmt. Ich sagte nichts, mein Gehirn war stillgestellt. Den Dämon nicht durch Worte oder durch Bewegung reizen. Vielleicht hielt er mich für gestorben?
    »Sie haben nicht das Ganze im Blick.«
    Seit ich denken konnte, hatte ich überlegt, welchen Sinn das Leiden haben könnte. Ich war zu dem Schluss gekommen: Nur der leidet wirklich, der keinen Überblick hat. Ihm kommen Pein und Qual tatsächlich wie Pein und Qual vor. Der den Überblick hat, leidet nicht, wenn er leidet. Er weiß: Eine starke Gefühlsregung ist genauso unpersönlich wie eine Sinnesempfindung. Er kann es sich aussuchen: Ist sein Schmerz violett, blau, grün, gelb, orangefarben oder rot? Oder weiß? Es gibt kein Leiden. Ich hatte den Überblick, aber trotzdem litt ich wie ein Hund. Es gab das Leiden.
    »Sie können das Labor weiterbetreiben.«
    Das konnte doch nicht sein! Von einem Augenblick auf den anderen kein Todeskampf mehr? Eben noch hatte mein Gehirn gegen die Aussicht auf eine sinnlose Verlängerung meines Lebens gestreikt. Koppelte es mich jetzt von der Realität ab und präsentierte mir die Schimäre einer stellvertretenden Leiterin der Unternehmensplanung, die nicht das tat, was sie unfehlbar tun musste?
    »Ich erteile Ihnen einen Auftrag.«
    Heimlich prüfte ich die Fähigkeiten meiner Gliedmaßen und meines Gehirns. Keine wesentliche Funktion war beeinträchtigt, ich war nicht mehr mattgesetzt. Ich konnte meinen in alle Winde verwehten Mut zusammenraffen und losrennen, blindlings. Doch ich lief nicht mit zunehmender oder schwindender Hoffnung um mein Leben, nicht im Zickzack und nicht im Kreis. Meine Zerrüttetheit und ich, wir begaben uns in die Klauen des Dämons.
    Noch zwei Jahre, und der Vorstand für Forschung und Entwicklung würde in Pension gehen, die Altersgrenze von fünfundsechzig Jahren wird bei D’Wolf strikt eingehalten. Die Kandidaten brachten sich in Position, einer der aussichtsreichsten war der Leiter der Geschäftseinheit Industrieroboter. Erst Mitte dreißig, natürlich Mitglied des Kandor Clubs, hatte er unglaublich ambitionierte Pläne: Das geplante Wachstum seiner Einheit sollte die Zuwachsraten aller anderen in den Schatten stellen. Das neue Werk für Industrieroboter in Piacenza war doppelt so teuer wie unser Werk für speicherprogrammierbare Steuerungen in Leipzig. Er schmiedete internationale Allianzen mit Anwendern und übernahm Firmen, die Komponenten fertigten oder Spezialroboter herstellten. Die Unternehmensplanung stand diesen Aktivitäten äußerst skeptisch gegenüber, aber der Kandidat hatte den amtierenden F&E-Vorstand in die Tasche gesteckt. Es werde nicht funktionieren, sagte Cathleen Nebe. Die Deals würden schlampig gemanagt, er setze sich rücksichtslos über die Interessen seiner Partner hinweg. Die Endausbaustufe des neuen Werks für Industrieroboter werde erst in etwa zwei Jahren erreicht sein, bis dahin werde es ihm gelingen, seine Umsatzpläne mehr oder weniger zu erfüllen. Dann wäre er Forschungsvorstand und könnte die weitere unbefriedigende Entwicklung

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