Der Überlebende: Roman (German Edition)
der Einheit seinem Nachfolger in die Schuhe schieben. D’Wolf könne es verkraften, wenn die Sache mit den Industrierobotern schiefgehe, aber als F&E-Vorstand habe er die Möglichkeit, die ganze Firma zu ruinieren. Seine Strategien seien Blendwerk, er habe kein Gefühl für Risiken und starte grandiose Projekte, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt seien.
Cathleen Nebe redete sehr leise, sie lächelte mit dem Mund und mit den Augen. Sie war nicht viel jünger als ich, ihre Stirn völlig glatt, aber sie hatte Falten um die Mundwinkel, die sich kreuzten. Ich dachte: Ihre Gegenwart stiftet Harmonie zwischen den Gedanken der Menschen.
Die Unternehmensplanung hatte sich mit ihren Argumenten gegen den Favoriten nicht durchsetzen können, jedoch stellte man ihm einige wohldefinierte Entwicklungsaufgaben, die er in einem bestimmten Zeitraum lösen musste. Die Ergebnisse würden dann von DWMC, den internen Consultants von D’Wolf, evaluiert werden. Unter den Entwicklungsaufgaben sollten von jetzt an auch die S-bots sein. Der Kandidat würde die Entwicklungen im zentralen Roboterlabor in Philadelphia durchführen oder Firmen dafür kaufen, auf keinen Fall würde er sie outsourcen, das lief seinem Kontrollbedürfnis zuwider. Meine Aufgabe sollte es sein, bessere S-bots schneller und billiger zu entwickeln. Cathleen Nebe genehmigte mir die Laborausrüstung und die Mitarbeiter. Aber es musste dabei bleiben, dass das Roboterlabor im Verborgenen arbeitete. Die Finanzierung erfolgte nicht mehr durch das Werk, die Mittel flossen jetzt direkt von der Unternehmensplanung, offiziell für das Pilotprojekt eines völlig neuartigen technischen Supports. Der Schriftverkehr würde sich ausschließlich auf den technischen Support beziehen. Falls bekannt würde, dass ich das Roboterlabor betrieb, wäre das mein Problem.
Ich berichtete Cathleen Nebe unregelmäßig drei oder vier Mal im Jahr, wir trafen uns in Kanada. D’Wolf hatte einen Netzwerkausrüster mit Zentrale in Toronto gekauft, die Fertigungsstätten waren über das Land verstreut. Cathleen Nebe versuchte, die Preisgestaltung mit Six Sigma zu verbessern, ich sollte ihr dabei helfen.
Maren, was ich dir nicht erzählte: Nach getaner Arbeit gingen wir abends immer in ein Restaurant außerhalb von Toronto, es hieß Howlin’ Wolf. Hinter dem Blockhaus dräute ein dichter, mächtiger Wald. Als wir im Winter hinkamen, stellte sich heraus, das Blockhaus war einem leicht ansteigenden Hügel vorgelagert, die dünnen Baumstämme mit den kahlen Ästen stocherten hilflos im Nebel herum. Das Restaurant versank im Schnee, der Zugang war aus dem Schnee herausgefräst, die Wände waren ebenfalls freigelegt, sonst wäre die Schneedecke bis über die Oberkante der Fenster gegangen.
In Toronto hatte es minus fünfundzwanzig Grad, außerhalb der Stadt minus fünfunddreißig. In dem durch mehrere Kaminfeuer sehr gut beheizten Blockhaus geriet man ins Schwitzen, Cathleen Nebe hatte einen leichten Pullover an. Wir benutzten einen Landrover aus dem Fahrzeugpark des Werks, den man nicht vorheizen konnte. In dem geparkten Wagen war es klirrend kalt. Als ob es das Natürlichste auf der Welt wäre, zog Cathleen Nebe erst den Anorak und dann den dünnen Pullover aus. Darunter trug sie nur einen hellen BH mit einem stilisierten Blüten- und Blättermuster, deutlich zeichneten sich ihre Rippen ab, sie musste regelmäßig ein Fitnessstudio besuchen. Sie drehte sich um und griff zu einem dicken Pullover, der auf dem Rücksitz lag, doch hielt sie inne, als sie meinen überraschten Ausdruck sah. Ich fror und zitterte, sie hatte nicht einmal eine Gänsehaut. Ihre Augen waren ganz und gar schwarze, spiegelnde Pupillen.
Der Himmel überzog sich schwarz, ein Gewitter drohte. Wir hatten die Liegestühle zusammengeklappt und an die Wand unserer Hütte gelehnt. Du entzündetest Feuer im Herd, um Teewasser aufzusetzen, gewöhnlich tranken wir Pfefferminztee, wenn es heiß war. Durch das Herdfeuer wurde es in der Hütte noch heißer, dir stand der Schweiß auf der Stirn. Das Wasser in dem Teekessel kochte, er tanzte auf dem Rand der Herdplatte und fiel zu Boden.
Dein Blick weitete sich. Du hattest den Zeigefinger und den Ringfinger der linken Hand gespreizt und die anderen Finger nach hinten abgebogen, mit den beiden gestreckten Fingern hast du dich auf dem Stapel Brennholz neben dem Herd abgestützt. Du schwanktest nicht, auch deine Finger zitterten nicht. Es schien, als müsstest du viel Kraft aufwenden, um
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