Der Überlebende: Roman (German Edition)
es in der Hitze nicht aushalten, und ging nach draußen. Stumm folgtest du mir. Am Brunnen wuschen wir uns, du setztest dich in den Korbsessel und blicktest auf den silbernen Teich, ich hockte mich neben dich auf den Boden und erzählte dir alles. – Fast alles.
»Was ist eigentlich Ihr Ziel mit dem Roboterlabor?«
An zahlreichen Stellen auf der Haut spürte ich stechende Schmerzen, die sich sofort tief in meinen Körper hinein fortpflanzten.
Cathleen Nebe war die stellvertretende Leiterin der Unternehmensplanung. Unmittelbar nach dem Baubeginn des neuen Werks in Leipzig hatte sie sich zu einem Besuch des alten Werks in Frankfurt angemeldet, in dem speicherprogrammierbare Steuerungen und Industrieroboter hergestellt wurden. Sie wollte mit mir die Modalitäten des Übergangs absprechen. Die Steuerungen würden zukünftig in Leipzig produziert werden, die Industrieroboter in Piacenza. Das Frankfurter Roboterlabor sollte geschlossen, die Mitarbeiter sollten freigesetzt werden. Ein internes Gutachten war zu dem Ergebnis gekommen, das Roboterlabor habe nur unnütze Parallelentwicklungen hervorgebracht, alles, worauf man gekommen war, sei schon in der zentralen Roboterentwicklung in Philadelphia oder bei anderen Firmen erfunden worden.
Als ich – völlig eigenmächtig – den Mitarbeitern verkündet hatte, das Roboterlabor werde weiterbestehen und mit den speicherprogrammierbaren Steuerungen nach Leipzig ziehen, wären sie mir fast um den Hals gefallen. Es sei sinnvoll, die im Werk produzierten Steuerungen in unseren Robotern auszuprobieren. Das war ein völlig lächerliches Argument, man konnte unsere Roboter mit beliebigen Steuerungen ausrüsten, und aus den Experimenten mit unseren Robotern folgte nichts für die Steuerungen. Froh, dass ihre Abteilung erhalten blieb, hüteten sich die Leute, das Argument zu hinterfragen. Ich führte aus, es gebe Probleme mit dem Controlling. Ich hätte jedoch die Rückendeckung eines wichtigen Aufsichtsrats. Die Abteilung dürfe nicht offiziell aufscheinen, sie werde als Kostenstelle für den technischen Support der Steuerungen geführt. Gegenüber allen anderen Beschäftigten des Werks sollten die Mitarbeiter über ihre wahre Tätigkeit unbedingt schweigen. Wenn man sie fragte, sollten sie angeben, sie arbeiteten beim technischen Support. Im eigenen Interesse hielten sie sich an die Anweisung, die ich ihnen gegeben hatte. Ich handelte völlig auf eigene Faust. Niemand würde mich eine Abteilung unter falscher Etikettierung führen lassen.
Geheimnisse verleihen Macht. Aber Geheimnisse zu bewahren kostet Kraft. Manche Geheimnisse nutzen den Bewahrer ab, verschleißen ihn: Das sind diejenigen, die damit zu tun haben, wer man ist.
Was war mein Ziel mit unseren Robotern? – Die Schmerzen durchfuhren mich auf allen dafür vorgesehenen Nervenbahnen, ich nahm meinen Körper nur noch als ein Gespinst von Schmerzwegen wahr.
Ich hätte Cathleen Nebe gern erzählt: Bei jedem neuen Experiment, von dem wir nicht wissen, ob es so ausgeht, wie wir uns das vorgestellt haben, kommt immer alles ins Vibrieren, der Raum, die Zeit, aber auch die Menschen, Peter, ich. Wenn das Experiment gelingt, dann schwingen der Raum und die Zeit, die S-bots und die Menschen synchron. Es hat nichts mit Harmonie zu tun. Es geht um Konzentration. Ist das unser Geist, der da in der Materie, in den Robotern schwingt? Es gibt keinen Geist. Es gibt nur uns und die Roboter. Manchmal denke ich, die Arbeit im Labor besteht darin, alle möglichen Schwingungen auszuprobieren … Wenn wir alle denkbaren Möglichkeiten realisiert haben, dann sind die Roboter – nein, nicht wie Menschen – nein, nicht perfekt. – Dann haben die Roboter ihren Lebensspielraum ausgeschöpft.
Aber das zu sagen konnte ich nicht riskieren. Ich sagte einfach gar nichts.
Cathleen Nebe hatte ihre Agenda durchgepeitscht, wir waren eher fertiggeworden als geplant. Anstatt sich sofort zum Flughafen bringen zu lassen, hatte sie die anderen weggeschickt, um mit mir das Roboterlabor zu besichtigen.
Durch einen Zufall war sie auf das Roboterlabor gestoßen, mehr gab sie nicht preis.
Das erste Büro nach dem Eingang war dasjenige von Carl und Debbie. Wenn sie bemerkten, dass ein Fremder allein im Labortrakt auftauchte, wurden sofort alle Aktivitäten in den Experimentierräumen eingestellt, und die Mitarbeiter begaben sich in ihre Büros. Dieselbe Regel galt, wenn ich ohne vorherige Ankündigung in Begleitung eines Fremden den Labortrakt
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