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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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die Vorfahrt genommen und war mit ihm zusammengestoßen. Der Autotransporter hinter diesem war bei der abrupten Bremsung ins Schlingern gekommen, der Lastwagen auf der Verlängerung der Straße hinter der Kreuzung und derjenige links von mir hatten die Vorfahrt beachtet. Hätten die beiden Lastwagen und der Autotransporter nicht allesamt rechtzeitig gebremst, wir wären zermalmt worden.
    Maren, was ich dir gleichfalls nicht erzählt habe: Es war nicht damit getan, dass ich mit der Billigung Cathleen Nebes das Labor als technischen Support camouflierte. Das Labor, die angebliche technische Supporteinheit, war eine Raumstation. Cathleen Nebe hatte die Raumstation und mich erschaffen, in einer Leere, die sich unendlich weit erstreckte. Meine Aufgabe in der Station bestand darin, Energiestrahlen von fernen Sonnen zum Planeten Erde zu lenken … Die fiktive technische Supporteinheit, der ich vorstand, war Relaisstation für Geldströme von beträchtlicher Größenordnung. Der Etat des Roboterlabors bildete nur einen Bruchteil der Summen, die ich bewegte. Die Supporteinheit erbrachte Leistungen auf dem ganzen Globus. Diese wurden nicht auf der Basis der Kosten abgerechnet, maßgeblich war vielmehr die erreichte Wertschöpfung. Die nicht existierende technische Supporteinheit speiste ein Schattenbudget. Was wurde sonst noch mit dem Budget finanziert? Ich wusste es nicht, ich wollte es auch nicht wissen.
    Wer stand hinter Cathleen Nebe? Auch davon wollte ich keine Kenntnis haben. Gemäß ihrer Anweisung erfolgte die gesamte Kommunikation nur schriftlich, von zu Hause aus. Die Unternehmensplanung hatte ein separates Netz eingerichtet, eine automatische Sperre machte es unmöglich, dass man sich von diesem Netz aus in das offizielle Firmennetz einloggte. Damit sollte verhindert werden, dass irgendjemand, der das Firmennetz benutzte, in dem anderen Netz landete. Wie alle, mit denen ich zu tun hatte, trat ich unter einem fiktiven Namen auf. Niemals habe ich versucht, mit einem der anderen Namen persönlich Kontakt aufzunehmen. Ich konnte ja schlecht in einer Mail fragen, wie mein Partner wirklich hieß und wo er stationiert war.
    Kurz vor dem Unfall sagtest du: »Ich weiß, dass ich nicht krank bin.« Du wiederholtest den Satz mehrfach und fragtest dich, was seine Verneinung sei: »Ich weiß, dass ich krank bin?« Oder: »Ich weiß nicht, dass ich krank bin?« »Es ist nicht wahr, dass ich weiß, dass ich nicht krank bin?« Hätte ich mich das auch fragen sollen?
    Du hattest die Nacht in der Klinik verbracht, ich hatte dir versprochen, dich abzuholen, dich jedoch warten lassen, weil ich Peter und Sondra beobachtete.
    Zum Zweifeln fehlten dir die Gründe. Dennoch stelltest du dir dauernd vor, bei der nächsten Untersuchung seien die Resultate ganz andere.
    Die Resultate der nächsten Untersuchung würden völlig andere sein.
    Du hattest den kleinen Webstuhl in die Klinik mitgenommen. Als ich ihn auf den Rücksitz des Wagens legte, verrutschte die Decke, in der er eingehüllt war, und ich sah den Gobelin. Er zeigte eine weiße Fläche zwischen Hochhäusern, über die sich zwei Bogen spannten. An den Bogen befestigte Lichtquellen beleuchteten die nächtliche Szene. Im Hintergrund Gestalten mit Eishockeyschlägern, im Vordergrund ein Pärchen, der Mann im schwarzen Anorak wandte dem Betrachter den Rücken zu, sein langer roter Schal wehte im Wind. Er schien unsicher auf den Beinen, eine schlanke Frau in Jeans, einem roten Sweater und einer grauen Daunenweste hielt mit ihrer rechten Hand seine linke. Die Frau war offensichtlich eine geübte Eisläuferin, während er sich nur selten aufs Eis begab.
    Als wir auf dem Nathan Phillips Square eisliefen, hatte ich einen Jungen gebeten, mit meinem Telefon ein paar Aufnahmen von Cathleen Nebe und mir zu machen. Wir trafen uns in einer offiziellen Mission, trotzdem erwartete ich eigentlich, dass sie nicht damit einverstanden sein oder mich danach bitten würde, die Bilder zu löschen. Aber sie lächelte sogar bei den Aufnahmen. War es die Auswirkung des Unfalls mit dem Bagger? Fühlte sie sich so sicher? War ich ebenfalls sicher? Zu Hause trage ich mein Telefon nicht bei mir, es liegt immer irgendwo herum.
    Du bist niemals zu mir in die Firma gekommen und hast immer alle Firmenevents gemieden. Die Feier der hundertmillionsten Steuerung würde mit einem Konzert im Gewandhaus beschlossen werden. Als ich dir davon erzählte, hattest du mich gebeten, dich auf die Liste zu setzen. Du wolltest

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