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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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versuchen würden, ihn aufzuwecken. Sie wollten mir keine Hoffnung machen.

    Die S-bots transportierten eine gerade Stange, indem sie sie mit den flexiblen Greifarmen umfassten und gleichzeitig hochhoben. Bei gebogenen Stangen versagten die S-bots. Sie waren nicht in der Lage, das Gewicht zu kontrollieren, die einen fielen um, die anderen hingen in der Luft. Am Nachmittag des Tages vor dem Kampf hatte ich Peter angewiesen, ein Konzept für die Lösung des Problems der gebogenen Stangen zu skizzieren. Keinen übergeordneten Algorithmus, sondern eine Bewegungskorrektur, wenn der S-bot wahrnahm, dass der S-bot neben ihm umgefallen war oder in der Luft hing. Ich gab an, die Skizze am nächsten Tag, noch vor Beginn der Bürozeit in Amerika, zu benötigen. Peter blieb nichts anderes übrig, als bis nach Mitternacht zu arbeiten, um etwas Vorzeigbares aufs Papier zu bringen. Peter sollte müde sein. Ich wollte nicht, dass er den Kampf gewann, das hätte ihn aufgebaut und in dem bestärkt, was er und Sondra im Schilde führten. Er hätte den Kampf in jedem Fall verloren. Aber wenn er ausgeruhter gewesen wäre, hätte er vielleicht den entscheidenden Treffer gegen Ende der ersten Runde nicht kassiert, oder er hätte noch den Ansatz einer Ausweichbewegung gemacht, und der Schlag hätte nicht diese desaströsen Folgen gehabt. Ich bin sicher, nach der Pause hätte Cornelius Purps nur noch mit äußerst verminderter Kraft zugeschlagen.

    Peter, heute siehst du besser aus! Belebt, erquickt, als ob du im Gebirge oder in einer Heide ruppig gewandert wärst. Es muss die frische Luft sein! Dein Fenster steht schon den ganzen Tag offen. Abends wird es kalt, ich hoffe, sie vergessen nicht, es zu schließen. Du brauchst dich nicht zu sorgen, wenn das Fenster abends immer noch offen steht, rufe ich an. Wenn sie fragen, woher ich das weiß, dann sage ich, ich weiß es eben.
    Du willst wissen, was wir im Labor treiben? Wir experimentieren mit stark geneigten Flächen und hohen Stufen. Bewegt sich ein S-bot bergauf, erzeugt das Eigengewicht Kräfte, die ihn bergab ziehen. Die S-bots haben keine Schwierigkeiten, eine Neigung von fünfundzwanzig Grad zu überwinden, das gilt für lineare wie für kompakte Formationen von S-bots und sowohl in der Simulation als auch in der wirklichen Welt. Mit einer Steigung von fünfzig Prozent werden die S-bots nicht mehr fertig, weder die simulierten noch die wirklichen. Jedes Mal, wenn sich ein S-bot der Steigung nähert, ändert er seine Richtung – am Übergang vom Flachen in die Steigung dreht er sich um sich selbst. Was die Stufen betrifft, gehen die ersten Erkenntnisse dahin, dass kompakte Formationen Stufen leichter überwinden können als lineare.
    Du würdest staunen, wenn du mein Büro sehen könntest! Auf meinem Schreibtisch liegen Zettel, Fotos, Quittungen, Zeitungsausschnitte. Lauter Sachen, die nichts mit unserer Arbeit zu tun haben. Das hättest du nicht gedacht, was? Auf meinem stets aufgeräumten Schreibtisch!
    Der Arzt, der dich operiert hat, sagte, die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass du Teile deines Gedächtnisses eingebüßt hast. Die Ergebnisse der Hirnstrommessungen in Verbindung mit der Auswertung der bildgebenden Verfahren legten das nahe. Natürlich habe ich sofort gefragt, welche Erinnerungen und welche Fähigkeiten möglicherweise verlorengegangen sind. Der Arzt hatte wohl bestimmte Vermutungen, aber er wollte nichts sagen.
    Ich weiß, Erinnerungen werden nicht ein Mal gespeichert und dann jedes Mal unverändert abgerufen. Ich weiß, jedes Erinnern ist ein Neuerfinden. Auf den Fotos auf meinem Schreibtisch ist – nein, das erzähle ich dir nicht, Peter. Die Quittungen sind allesamt aus der Apotheke. Nein, Peter, warum die dort liegen, erkläre ich dir auch nicht. Die Zeitungsausschnitte betreffen D’Wolf. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man verfolgt, wie jemand die Firma von außen betrachtet, die man von innen sieht. – Mit den Zetteln versuche ich, Fixpunkte für die Erinnerung zu definieren. Die Ausgangsbedingungen sollen gewährleisten, dass ich beständig auf dieselbe Weise neu erfinde.
    Peter, dich lockt die Aussicht auf das viele Leben! Als ich zum ersten Mal dein Bild auf dem Schirm hatte, war ich perplex über deine fast weltmännische Haltung. Um dich herum ein mildes Problemgestöber, ein feiner Wirbel von Fragen, aber keine Spur von Rat- oder Hilflosigkeit. Die ins Unsichtige ausspähende Betrübnis ist Sache des Betrachters. Du wirst wieder ins Dasein

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