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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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Anliegen noch einmal vorzubringen, denn der Kapitän stampfte durch den Gang zurück zu seinem Flugzeug.
    Ich hatte mich vom Eingang des Gates nicht wegbewegt, erst jetzt bemerkte mich Cathleen Nebe und winkte mich zu sich. Während ich auf sie zukam, griff sie jedoch zu ihrem Telefon, und ich hielt inne.
    Der nun ruhige Amerikaner fragte höflich, ob er zum Schalter gehen dürfe, er müsse sich nach dem nächsten Flug erkundigen. Der oberste Sicherheitsmann erlaubte es, seine Leute begleiteten den Zurückgewiesenen.
    Cathleen Nebe beendete ihr Telefongespräch, trotzdem bekam ich keine Gelegenheit, mit ihr zu reden. Ihr Geschäftsfreund konnte am Gate keinen Flug buchen, die beiden mussten auf die Polizei warten und begannen sofort wieder zu streiten. Ich setzte mich in einiger Entfernung von ihnen, aber immer noch in Hörweite, hin. Der Amerikaner war Manager eines Private equity fund, entweder hatte er D’Wolf schon Anteile an seiner Firma verkauft oder eine Transaktion stand bevor. Cathleen Nebe beschuldigte ihn, falsche Ergebnisse auszuweisen. Sie warf ihm vor, die Internal rate of return falsch zu berechnen, er setze voraus, dass die während des Jahres freiwerdenden Gelder immer zu dem Zinssatz wieder angelegt werden könnten, der mit der gerade liquidierten Investition erwirtschaftet wurde. Nur in Ausnahmefällen sei es möglich, Beträge zu derart rentablen Konditionen zu reinvestieren. Sie habe eine Modified internal rate of return ermitteln lassen, die von einer Wiederanlage der Ausschüttungen zu einem realistischen Zinssatz ausging. Das Ergebnis sei eine Rendite von einundvierzig Prozent anstelle von zweihundertvierundvierzig Prozent. Der erregbare Manager wehrte sich, seine Firma berechne die Rendite genauso wie die anderen Wettbewerber. Er verwies auf ein Ranking, in dem seine Firma die Nummer eins sei. Cathleen Nebe hatte auch die Angaben seiner Konkurrenten überprüft. Ein Ranking nach der Modified internal rate of return führe zu einem anderen Ergebnis, er sei auf keinen Fall die Nummer eins.
    Ich verstand nicht, was Cathleen Nebe in ihrer Funktion bei der Unternehmensplanung mit dem Erwerb von Finanzanlagen zu tun hatte. Sie blieb sachlich, während der Amerikaner im Lauf der Diskussion erneut laut wurde. Vorher konnte Cathleen Nebe nicht so ruhig geblieben sein, sonst hätte der Kapitän sie nicht ebenfalls des Flugzeugs verwiesen. Es war doch etwas geschehen, womit sie nicht gerechnet hatte. Was ihre Pläne zu durchkreuzen drohte oder bereits durchkreuzt hatte? Das musste nicht unbedingt etwas mit dem Private equity fund zu tun haben.
    Zwei Polizisten beendeten den wiederaufgeflammten Streit. Sie befragten Cathleen Nebe und den Fonds-Manager und erläuterten, alles Weitere hänge davon ab, ob die Fluggesellschaft formell Anzeige erstatte. Nachdem sich die Polizisten höflich verabschiedet hatten, gingen Cathleen Nebe und der Fonds-Manager grußlos auseinander. Als ob sie nie etwas anderes vorgehabt hätte, als mich zu treffen, kam Cathleen Nebe zu mir herüber. Quer über ihren Hals zog sich wie eine mit dem Lineal gezogene Linie ein noch nicht verheiltes Schürf- oder Würgemal, von dem ich meinen Blick nicht abwenden konnte.
    Sie strich mit der Hand darüber und erklärte mir ungefragt, sie sei im Bad ausgerutscht. Über ihrer Badewanne sei ein Seil gespannt, an dem sie die nasse Wäsche aufhänge. Das Seil habe einen Federzug, wenn man es aus der Befestigung ausklinke, schnurre es zurück. Beim Betreten des Bads habe sie eine große Flasche mit einem Reinigungsmittel umgestoßen, die ihre Haushaltshilfe aus Versehen stehen gelassen hatte. Die Flasche sei ausgelaufen, sie habe den Inhalt nicht aufgewischt. Als sie Wäschestücke abgenommen habe, sei sie ausgerutscht und mit dem Hals auf das Nylonseil gefallen, sie habe sich gedreht, und das Seil habe sich um ihren Hals gewickelt und sie stranguliert. Zunächst habe sie versucht, sich mit den Händen zu befreien, aber da habe sich das Seil nur noch fester um ihren Hals gezogen. Sie neigte den Kopf zur Seite, um mir zu zeigen, dass die Wunde tatsächlich um den ganzen Hals herumlief. Sie wäre erstickt, hätte sie nicht am Tag zuvor eine Schere auf dem Badewannenrand liegen lassen, mit der sie das Nylonseil habe durchschneiden können.
    Sie hatte mir nie etwas über ihr Privatleben erzählt. Ich hatte mir ihre Lebensumstände deutlich luxuriöser vorgestellt. War sie noch mehr Befehlsempfänger als ich?
    Ich wollte immer weniger wissen, wer

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