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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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Bewegungen waren weit geschmeidiger, als ich mir das nach den Schilderungen vorgestellt hatte. Er traf nicht, weil Peter unvorsichtig gewesen wäre, sondern weil er jede sich ergebende Lücke in dessen Deckung eiskalt ausnutzte. Die Treffer waren nicht spektakulär, aber sie zeigten Wirkung, Peter schüttelte den Kopf und fuhr sich mit den Boxhandschuhen über die Nase.
    Als Cornelius Purps das sah, stellte er seine Angriffe ein. Die Zuschauer blieben jetzt genauso stumm wie die Torsi an den Wänden. Es war offensichtlich: Wenn der Superschwergewichtler wollte, konnte er seinen Herausforderer jeden Augenblick niederschlagen. Peter hatte nicht den Hauch einer Chance, die drei Runden zu überstehen. Aber Cornelius Purps ließ Gnade walten. Ich verstand Peter nicht, als guter und intelligenter Boxer musste er doch in der Lage sein, seine Fähigkeiten und die des anderen richtig einzuschätzen. Warum hatte er den Kampf gesucht? Warum hatte er auch noch auf den Kopfschutz verzichtet?
    Cornelius Purps beabsichtigte, ihn die drei Runden durchstehen zu lassen, davon bin ich überzeugt. Aber er war irritiert durch die Totenstille. Von der sich Peter wiederum nicht beeindrucken ließ, unverdrossen griff er an, mit seinen Mitteln. In einer Art von geistigem Kurzschluss muss Cornelius Purps die Stille mit der Situation in einem Kampf gegen einen überlegenen Widersacher in Verbindung gebracht haben, in der die Stille bedeutete, dass er selbst vor dem Aus stand. Wenn die Leute Peter weiter angefeuert hätten, dann hätte Cornelius Purps nicht angegriffen. Aber als die Runde zu Ende ging, wurde die Stille für ihn unerträglich. Jedenfalls schlug er kurz vor dem Rundenende ein paarmal, jetzt allerdings stärker. Die Zuschauer verfolgten, wie sich die Züge von Peter ruckhaft verformten, wie seine langen Haare flogen, wie die Schweißtropfen spritzten.
    Mit blutender Nase ging Peter in seine Ecke. Cornelius Purps bereute schon, was er getan hatte, er begleitete Peter und legte schützend und zugleich verzeihungheischend den Arm um seine Schultern. Eine Blutspur führte aus der Mitte des Rings zu der Ecke hin.
    Der Ringrichter stellte einen uralten abgeschabten schwarzen Hocker in die Ecke, auf den sich Peter fallen ließ. Sein Oberkörper war blutverschmiert, ebenso der weiße Rand seiner Hose. Er spuckte den Gebissschutz auf den Boden, breitete die Arme aus und hielt sich keuchend an den schmutzigen Seilen fest. Aus seiner Nase flossen jetzt Blutbäche. Die Totenstille war einem erregten Gemurmel gewichen. Es gab keinen Arzt, der Ringrichter ging vor Peter in die Knie, aber er wusste nicht, was er tun sollte. An ein Weiterkämpfen war nicht zu denken, jetzt ging es um etwas anderes.
    Ich kroch unter den Seilen durch und stieß den Ringrichter zur Seite. Peters Gesicht mit beiden Händen umfassend, fragte ich ihn nach seinem Namen, den wusste er genauso wie den Tag und das Datum und das Jahr. Für den Augenblick war ich beruhigt. Ich wandte mich dem Ringrichter zu, er sagte, Peters Nase sei gebrochen. Es gibt Schlimmeres als eine gebrochene Nase. Da hörte ich ein dumpfes Geräusch. Als ich mich umdrehte, lag Peter auf dem Boden. Er hatte die Augen offen, aber er war bewusstlos.

    Peter, du liegst stumm und ausdruckslos. Du könntest dich mit mir unterhalten, wenn du Lust dazu hättest! Lieber schweigst du schlau. Mit Sondra hast du inkognito die Zukunft bereist und einen Kopf voller Pläne mitgebracht. Alle diese Pläne enden gleich: in einem rauschenden Fest, ausgerichtet von demjenigen, dessen Nähe ihr schließlich suchen werdet. Oh, scharfsinnige Blödigkeit, die instantan und fehlerlos kalkuliert, wer worauf hinauswill! Aber saugt der Verrat nicht wie ein dunkler, leerer Raum an dir? Treibt dein heißer Geist nicht schon in eisiger Verlorenheit? Oh, herzloses Verliebtsein! Mich kannst du nicht täuschen, Peter. Dein bleiches Daliegen ist für mich ein strahlendes Nicken. Kalkuliertes Geschäftsgebaren für die besorgten Mienen des Publikums. Du bist bei klarstem Verstand, noch ehe dich jemand anspricht, hörst du dich schon selbst, hörst du, was du nüchtern und grußlos erwidern könntest. Vielleicht denkst du bei dir: welche Erniedrigung. Aber auch: was für ein Genuss. Welch geschickte Täuschung! Das ist nicht dein Gesicht, das sind nicht deine Arme, das ist kein Klinikhemd, das ist kein Klinikbett, das sind alles nur weiße oder graue Farbtupfen, sie passen so gut zueinander – jeder muss denken, du liegst im Koma.

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