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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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Hintergrund des Kalten Kriegs der atombombensicheren Verwahrung von Gegenständen widmete. Mittlerweile ist Iron Mountain ein börsennotiertes Unternehmen mit zwanzigtausend Mitarbeitern.
    Wir können nicht ewig leben. Weil Materie und Strahlung zum Ereignishorizont hinstreben, ihn passieren und dann jenseits gefangen sind, sinkt der Informationsgehalt in dem uns zugänglichen Teil des Universums immer weiter. Deshalb kann Informationsverarbeitung und damit auch Leben im Universum nicht ewig stattfinden.
    Die Prozesse, die Cathleen Nebe installiert hatte, liefen unverändert weiter. Die Verrichtungen in dem Finanzkreis, in den ich durch sie Eintritt gefunden hatte, erzeugten ungebär auftauchende, aber staatsklug wieder verschwindende Gestalten vor einem unbewegten Horizont. Eine glänzende Unterhaltung für jemanden, der die Muster deuten konnte, nicht für mich, obwohl ich doch das Enter und Exeunt in der Kulisse von steinerner Starre mitgestaltete. Die einzige Regularität, die ich identifizieren, das einzige Gesetz, das ich ausmachen konnte, war die gleichbleibende Finanzierung des Roboterlabors.
    Natürlich habe ich unter einem Vorwand bei Cathleen Nebe angerufen – es war nicht ihre etatmäßige Sekretärin, die zurückrief. Frau Nebe habe einen Leave genommen, sie sei nicht erreichbar. Aus dem Intranet war nicht ersichtlich, ob sie noch bei der Unternehmensplanung arbeitete, ob sie überhaupt noch bei D’Wolf war.
    Ständig war ich in der Erwartung eines Nachbebens befangen, das durch das Verschwinden Cathleen Nebes ausgelöst werden würde. Wenn sie keine Macht und keinen Einfluss mehr besaß, dann musste das doch Effekte nicht nur bei den aufflackernden und verlöschenden Gebilden, sondern auch am Horizont hervorrufen. Aber nicht einmal ein gerauschter Flügelschlag. Der Summenkreis wie eine Ewigkeit, zumindest wie eine Vorewigkeit.

    Ein halbes Jahr nach dem Kampf wachte Peter auf.
    Genau zu dem Zeitpunkt, als ich gerade mit dem letzten der zwölf Romane fertig war, die mir seinerzeit die Buchhändlerin empfohlen hatte.
    Als ich in Peters Fenster auf meinem Bildschirm blickte, hatte er sich schon von allen Elektroden, von den Infusionsschläuchen und der Magensonde befreit. Er sah mir auf dem Bildschirm direkt in die Augen.
    Seit mehreren Wochen hatte ich ihn nicht mehr besucht. Jetzt verlief ich mich wieder und geriet in die Kinderabteilung.
    Auf dem Gang hockte ein nacktes Kind in einem Gitterbett, inmitten von farbigen Würfeln, Quadern, Pyramiden, Zylindern, die Bettdecke war am Fußende zusammengeschoben. Das Kind hatte eine weiße Haut, wie ich sie noch nie gesehen hatte, es gab keinen Unterschied zwischen dem Körper und dem Gesicht. Die Ohren, die bei allen Menschen rötlich sind, waren genauso weiß.
    Maren, das Kind schien über dem Bettlaken mit den Holzklötzen zu schweben!

    Peter saß auf dem Bett, er war allein, keiner kümmerte sich um ihn, niemand hatte davon Notiz genommen, dass sein EKG eine flache Linie anzeigte. Als er mich sah, begann er zu weinen. Er zuckte heftig, aber kein Ton entwich ihm. Ich traute mich nicht, etwas zu sagen. Ich wusste nicht, ob er mich erkannt hatte. Die Ärzte gingen ja davon aus, dass er Erinnerungen eingebüßt hatte.
    Peter fragte mich, wo er sei. Ich erklärte es ihm und fragte ihn, woran er sich als Letztes erinnere.
    »Ich konnte nicht schlafen –
    Gestern –
    Ich habe gezappt, aber auf allen Fernsehkanälen war nur Schneegestöber –
    Rauschen –
    Ich schaltete den Fernseher aus und las Zeitung –
    Als ich schließlich ins Bett gehen wollte und wieder am Fernseher vorbeikam –
    Sah ich ein schwarzweißes –
    Grobkörniges Bild –
    Ich hatte den Fernseher gar nicht wieder eingeschaltet.«
    Peter sprach äußerst stockend und betonte alle Wörter absolut gleichmäßig.
    »Ein Boxring mit zwei Boxern – darum herum mehrere Dutzend Zuschauer – der eine Boxer war ein Riese – der andere wirkte verloren gegen ihn – beide Boxer hatten die Hände unten. – Wenn ich genau hinhörte, konnte ich in der Stille das eine oder andere Geräusch hören – das die Zuschauer machten.«
    Während er erzählte, spielte Peter mit seinen Händen. Seine Bewegungen waren gehemmt und verzögert, wie man es von jemandem erwartete, der so lange bewusstlos gewesen war.
    »Ich ging zum Sofa, dort lag die Fernbedienung. – Ich drückte den Knopf, aber es passierte nichts. Der Fernseher war nicht auszuschalten. – Der massige Boxer wartete in der Mitte des

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