Der Überlebende: Roman (German Edition)
Rings, der schlanke Boxer war in seine Ecke zurückgekehrt. Als ich mich erneut dem Fernseher näherte, ging der schmächtige Boxer wieder in die Mitte. – Vielleicht waren die Batterien der Fernbedienung schwach, ich baute mich unmittelbar vor dem Fernseher auf, hielt die Fernbedienung hoch und drückte fest. Der schmalbrüstige Boxer hob die rechte Faust, der andere nahm beide Fäuste zur Deckung hoch. Ich legte die Fernbedienung ab, der schwächliche Boxer ließ den rechten Arm sinken, der andere nahm beide Arme herunter. Ich ballte beide Hände zu Fäusten und riss die Arme hoch, der schlanke Boxer tat das Gleiche, der andere Kämpfer hob wieder die Fäuste zur Deckung. – Jetzt boxte ich. – Ich schlug eine rechte Gerade, einen linken Haken, mein Avatar tat das Gleiche, der andere fing die Schläge ab. Ich schlug mehrere Kombinationen, der andere wehrte sie nur ab, ohne seinerseits zum Angriff überzugehen. – Schließlich war ich das Spiel leid, ich griff nach der Fernbedienung, um erneut zu versuchen, den Fernseher auszuschalten. Während ich die Fernbedienung mit beiden Händen vor mich hielt, sah ich, wie der bärenstarke Boxer ausholte und durch die Deckung des Boxers mit der schmalen Silhouette hindurch eine rechte Gerade an dessen Kopf landete. – Die Explosion in meinem Kopf ist das Letzte, an das ich mich erinnern kann.«
Böse Magie war am Werk, und es gab kein Mittel, sich dagegenzustemmen, man konnte nur Reißaus nehmen. Wer oder was war das, was mit Vergessens-Siglen bannte und verdammte? Kein schuldzuweisendes »Vorbei! Vorbei!«, sondern ein unerbittliches, weltablehnendes »Nie gewesen! Nie gewesen!«. Wer setzte eine versteinerte Miene auf, in der die Zähne knirschten, oder zog sich eine eiserne Maske über, um dahinter zu feixen, über mich, der ich von der Angst heimgesucht wurde, mir würde ebenfalls das Gedächtnis abhandenkommen? Es ist so lästig, wenn einem alles entgleitet.
Peter hatte aus seinem Boxkampf einen Traum gemacht und konnte sich nur an diesen erinnern. Damit nicht genug, hatte er die Erinnerung an alles verloren, was geschehen war, nachdem Burgi das Werk verlassen hatte.
»Wie weit ist Burgi mit dem Manual?«
Er wusste nicht mehr, dass ich ihr gekündigt hatte, dass sie mit ihm gebrochen hatte. Natürlich wollte er nicht glauben, wie viel Zeit seither vergangen war. Zum zweiten Mal musste ich ihm erklären, warum ich Burgi gekündigt hatte, diesmal brachte ich es ihm schonender bei.
Das Gehirn war verletzt worden, die Art der Schädigung legte Gedächtnisverluste nahe. Aber dass Peters Erinnerung genau bis zu einem bestimmten Tag zurückreichte, der weit vor dem Trauma lag, deuteten die Ärzte als psychisch verursacht.
Anhand der Protokolle, der Mails und der Videoaufzeichnungen ging ich mit Peter die gesamte Zeit zwischen Burgis Abschied und dem Kampf durch. Allerdings in umgekehrter Reihenfolge – ich begann mit der Aufzeichnung des Kampfes. Ich wollte herausfinden, ob Peter und Sondra versucht hatten, den Hintergrund des Roboterlabors auszuspionieren. Hätte ich Peters Erinnerungen in der gewohnten Abfolge rekonstruiert, hätte ich ihm die Gelegenheit gegeben, seine wahre Absicht erneut vor mir zu verbergen.
Peter verhüllte nichts vor mir. Wenn er Bilder von Burgi sah, erklärte er, sein Herz klopfe, als ob er rennen würde. Betrachtete er Aufzeichnungen aus dem Total-Recall-System, die Sondra zeigten, nagte es sichtbar an ihm. Er empfinde Verdrossenheit, er werde kleinlich, engherzig. Ausgerechnet an die Zeit, während der er mit Sondra zusammen gewesen war, erinnere er sich nicht. Er könne den Gedanken nicht beiseiteschieben, es müsse an ihr liegen, dass er das Gedächtnis verloren habe.
Ich fand keinen Beweis, dass er und Sondra gegen mich spioniert hatten, da war nicht einmal ein Fingerzeig.
Burgi war bei ihrer neuen Firma nicht glücklich. Aus Dankbarkeit, dass Peter seiner Bewusstlosigkeit entronnen war, vielleicht auch aus Neugier, unterbreitete ich ihr das Angebot, zu uns zurückzukehren. Sofort willigte sie ein. Sie war in Shanghai eingesetzt, Peter und Burgi mailten und skypten, als wäre in der Zwischenzeit nichts gewesen. Als hätte es Sondra nie gegeben. Peter zählte die Tage, bis er Burgi gegenüberstehen würde.
Nachdem er aufgewacht war, hatte ich Sondra schnell benachrichtigt. Erst eine Woche später schrieb sie zurück. Ich hatte angedeutet, Peter habe Probleme mit seinem Gedächtnis, sie nahm das als Anlass zu fragen, ob die
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