Der Überlebende: Roman (German Edition)
Besprechungsraum in einer Ecke des Wolkenkratzers Platz genommen hatten. Sie saßen zwischen zwei besonders dicken Japanern, die sich über ihre schmalen Stühle hinaus ausbreiteten und Burgi und Sondra fast zu erdrücken schienen. Ein anderer junger Japaner präsentierte, derjenige, der die beiden abgeholt hatte, bediente den Computer und den Beamer. Der Präsentierende sprach Englisch, irrwitzig schnell kommentierte er endlose Zahlenreihen. Er handhabte den Laserzeiger, als würde er ein Videospiel spielen, niemals musste er eine Zeile, eine Spalte oder eine Zahl suchen, er verfehlte sein Ziel nicht und schoss nicht über es hinaus. Es gab keinerlei Zwischenfragen, nichts und niemand unterbrach den Vortragenden.
D’Wolf hatte für den Verkauf von Toji eine japanische Bank eingeschaltet. Während die Investmentbanker den Vertretern des kaufwilligen Finanzinvestors die Ausgliederungsbilanz erläuterten, traten Bildstörungen auf. Weiße Schleier zogen durch das Bild. Sie hatten zwei Ziele: Burgi und Sondra. Meist war nur eine in einen weißen Nebel gehüllt, manchmal jedoch alle beide.
Der Investmentbanker war mittlerweile bei den Fabriken angelangt. Unvermittelt stockte sein Redefluss, und er blickte Burgi an. Jetzt konzentrierte sich der weiße Nebel auf ihr Gesicht, bewusst sparte er ihre Haare, die Augen mit den Augenbrauen und ihre stummen Lippen aus, es war, als ob Burgi eine Maske trage. Darauf fixierte der Vortragende Sondra. Ihre Konturen verschwammen, aber es war noch zu sehen, dass sie den Kopf zur Seite wandte und demonstrativ in eine andere Richtung blickte.
Die Stille währte minutenlang und wurde dann nicht vom Präsentierenden, sondern von dem Japaner unterbrochen, der Burgi und Sondra abgeholt hatte. Im gleichen Kommandoton wie vorher wies er die beiden an, mit ihm den Raum zu verlassen. Er ließ sich einen Besprechungsraum auf einer anderen Etage geben, dort redete er auf die beiden ein, ebenso ohne Punkt und Komma wie zuvor sein Kollege. Der hatte ausgeführt, Burgi und Sondra hätten sich alle Fabriken angesehen, alle Positionen der Anlagenverzeichnisse überprüft, mit den Fabrikverantwortlichen diskutiert und Gutachten sowohl über den Fortführungs- als auch über den Zerschlagungswert der Anlagen erstellt.
Sondra war bereit zu bestätigen, dass die Werte in der Ausgliederungsbilanz auf diese Weise ermittelt worden waren. Die Ausgliederungsbilanz sei ein Fake, die Verhandlungen seien eine Farce, aber der Vorstand wünsche es so. Burgi wollte die Bewertung unterschreiben, aber auf keinen Fall beglaubigen, dass die Bewertung auf diese Weise zustande gekommen sei.
Aus Versehen wischte Burgi den Papierstapel mit ihren Aufzeichnungen vom Tisch, kniend sammelte sie die Papiere ein. Als sie fertig war, blieb sie auf den Knien. Niemals werde sie bescheinigen, dass ihre Überprüfung anders als stichprobenartig gewesen sei und dass sie die Fabriken in Augenschein genommen habe. Darauf verließ der junge Japaner kommentarlos den Raum. Peter schaltete zu dem anderen Besprechungsraum zurück, der Präsentierende unterbrach offiziell die Hauptbesprechung.
Inzwischen hatte es draußen zu regnen begonnen, der Eingang des Bürogebäudes lag an einer sehr belebten Straße, noch nie in meinem Leben hatte ich so viele Menschen mit Regenschirmen gesehen. Die meisten blau oder grau, dazwischen gelbe und rote Farbtupfer. Die Regenschirme schienen ein einziger Organismus zu sein, der sich insgesamt und in sich bewegte.
Vor der Glastür des Besprechungsraums, in dem Burgi jetzt allein war, zögerte ein älterer Japaner einzutreten. Er legte die Hand auf die Klinke, zog sie jedoch wieder zurück und wandte sich um. Als er erneut nach der Klinke fasste, war deutlich zu erkennen, wie seine Hand zitterte. Er drückte die Klinke herunter und zauderte erneut, ehe er die Tür öffnete. Mit staksigen, ungelenken Schritten trat er ein, eine schmale schwarze Ledermappe zum Schutz vor sich haltend.
Immer wieder hatten Schleier auf den Kamerabildern Burgi und Sondra verdeckt. Jetzt half uns die Störung auszumachen, wohin sich der Japaner orientiert hatte. Während er sich unter Verbeugungen vorstellte, nahmen wir im Hintergrund einen weißen Fleck wahr. Peter schaltete auf die Kamera am Empfang des Stockwerks, dort lehnte die von weißem Nebel eingehüllte, aber dennoch deutlich erkennbare Sondra am Tresen.
Der Japaner, fand Peter heraus, bekleidete eine viel höhere Position im Controlling von D’Wolf Japan, als sein
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