Der Überlebende: Roman (German Edition)
Markteinführung, dann versuchen die Wettbewerber, mit Alternativlösungen die Patente zu umgehen. Das kostet sie Zeit, ein Jahr für die Produktentwicklung sowie ein weiteres für die Markteinführung, und Geld. Die Konkurrenten haben die Option, abzuwarten und zu einem angemessenen Preis eine Lizenz zu erwerben. In den drei Jahren, bis es so weit ist, kann D’Wolf höhere Preise für die Produkte verlangen und die nächste Generation vorbereiten. Mit keiner Faser meines Wesens nahm ich Anteil am Ausgang der Auseinandersetzung. Denn die Erfindungen, die wir im Roboterlabor machten, gingen nicht in die Patentstatistik ein und würden es nie tun.
Nach einer der späten Verabredungen legte ich mich im Hotel in die Badewanne, mit dem Körper und dem Kopf unter Wasser, nur mein Gesicht sah heraus. Vorher hatte ich das Licht ausgeschaltet. Es gelang mir, so sacht zu atmen, dass die Wasseroberfläche völlig unbewegt blieb. Obwohl ich die Augen ganz weit aufmachte, kam kein Wasser hinein.
Ich hörte Stimmen aus der ganzen Stadt.
»Die Gobelins sind interessant.«
Maren, du hattest mich gebeten, Abbildungen deiner Gobelins, altmodische Ektachrome, die du selbst aufgenommen hattest, bei einer Galerie vorbeizubringen, die auf Zeichnungen spezialisiert war.
Ich konnte den Termin nicht unterbringen. Ich hatte die Ektas durch einen Kurier an die Galerie geschickt und mit der Galeristin lediglich telefoniert. Es war die Stimme der Galeristin.
»Vergiss es! Vergiss mich!«
Pfarrer Grenzfurtner moderierte die Patentkonferenz. Zu wem sprach er?
»Ich liebe dich, aber –«
Peter war im Werk unabkömmlich, Burgi begleitete mich, Peters Stimme kam aus einem Telefon.
»Auch wenn er –« Jetzt hatte ich mich doch bewegt. Das Plätschergeräusch übertönte die Frauenstimme. »Er denkt an mich.«
Gretas Stimme.
Jemand summte eine Melodie, ›You Can’t Hurry Love‹ von den Supremes. Ich kannte den Text, ganz leise sang ich mit und war enttäuscht, als das Lied abbrach. Dann spielte jemand die Melodie auf einem Klavier weiter. Da lächelte ich und schluckte Wasser.
Ich schlief nicht ein in der Badewanne, mein Kopf wäre heruntergesackt und unter Wasser gekommen, ich wäre aufgewacht. Aber ich verbrachte Stunden in einem Dämmerzustand. Als jemand meinen Namen rief, erwachte ich aus der Trance. Ich war nicht sicher, ob ich wirklich etwas gehört hatte. Ich schreckte hoch und glaubte einen Augenblick, Greta stehe neben der Badewanne. Ihre Haare waren nass, sie zog sich ein kurzes weißes T-Shirt über. Natürlich war da niemand. Außer mir und dem Handtuchständer mit dem weißen Handtuch neben der Badewanne.
In einer Konferenzpause hatte mir Pfarrer Grenzfurtner von seinem Besuch bei Greta berichtet. Er hatte sein Telefon, seine Schlüssel und seinen Kugelschreiber abgeben, den Gürtel ablegen und die Schnürsenkel herausziehen müssen. Die Brille und die Armbanduhr durfte er ebenfalls nicht mitnehmen. Die Klinikangestellte hatte ihn gefragt, ob er Medikamente oder Gift dabeihabe. Sie passierte mit ihm mehrere gepanzerte Türen, die durch Zahlencodes gesichert waren. Er erkundigte sich, wie lange Greta voraussichtlich weggeschlossen bleiben werde. Die Klinikangestellte blickte ihn erstaunt an und sagte, man habe sie nicht eingewiesen, sie sei aus freien Stücken hier. Er fragte sie, ob Greta gefährlich sei, sie antwortete nein. Greta halte ihre Besucher für gefährlich.
Pfarrer Grenzfurtner hörte ein surrendes Geräusch und blickte nach oben, eine bewegliche Kamera über der Tür zu Gretas Zimmer war auf sein Gesicht gerichtet. Seine Begleiterin erklärte, es habe Besucher gegeben, die sich ebenfalls angemeldet hätten, die Greta jedoch nicht empfangen habe. Unangemeldete Besucher lasse sie niemals vor.
Die Wände, der Fußboden und die Decke des doppelt mannshohen Raums mit quadratischem Grundriss waren mit abwaschbaren weißen Polsterlamellen verkleidet. Die hoch oben eingelassenen Fenster lagen so tief in den Wänden, dass man sie von unten aus nicht sehen konnte. Es gab nur ein einziges Möbel: eine weißgepolsterte Liege. Ein durchsichtiges aufblasbares Waschbecken und eine Toilette aus demselben Material bildeten die Infrastruktur. An der dem Eingang gegenüberliegenden Wand eine Collage aus Zeitungsausschnitten, Personenfotos, deren Hintergrund weggeschnitten war, herausgerissenen Buchseiten und Computerausdrucken. Die Tür schloss sich geräuschlos, natürlich wies auch sie eine Polsterverkleidung auf.
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