Der Überlebende: Roman (German Edition)
habe den brennenden Stoff nach oben gewirbelt, ehe er zu Asche zerstäubt sei. In Japan würden die Toten im Sarg auf Rosen gebettet.
Der Freitod des CEO von D’Wolf Japan hatte großes Aufsehen erregt. In früheren Zeiten hatten sich die Führer großer Unternehmen bei schlechten Ergebnissen regelmäßig selbst entleibt, die Tradition war eigentlich abgebrochen. D’Wolf hätte lieber aus anderen Gründen im Rampenlicht gestanden.
Peter spulte die Aufzeichnung des Begräbnisses zurück, um Burgi und Sondra unter den Trauergästen zu suchen. Der makellos weiße Kamin des Krematoriums war bestimmt dreißig Meter hoch, die verzinkte Kappe und die ebenfalls verzinkte Revisionsleiter am Kamin glänzten in der Sonne. Wir sahen den Film noch einmal in voller Länge an, konnten aber keine von beiden aufspüren. Kurz bevor der Sarg zum dritten Mal in den Ofen geschoben wurde, diesmal in Slomo, gab ich Peter das Kommando, das Bild anzuhalten. Am Eingang der Halle fand sich ein Schrein der gleichen Art wie derjenige, den die beiden Männer vor die Ofentüren geschoben hatten, auf ihm ein altes Transistorradio, ein weißes Telefon mit Wählscheibe und ein schwarzer Aschenbecher, in dem eine Zigarette brannte. Die hochsteigende Rauchfahne konnte sich unmöglich allein der Zigarette verdanken, in dem Aschenbecher musste sich noch anderes Material entzündet haben. Neben dem Schrein stand Burgi mit weit offenem Mund und geschlossenen Augen. Es wirkte, als wolle sie den Rauch aus dem Aschenbecher inhalieren. Die grellroten Lippen und die dunkelblau geschminkten Lider über den stark getuschten Wimpern konnten nicht von den Augenringen ablenken. Vorher war mir nie aufgefallen, dass Burgi besonders unter dem Jetlag litt.
Schließlich entdeckten wir auch Sondra. Plötzlich konnten wir gar nicht mehr nachvollziehen, dass wir sie übersehen hatten, sie stand unmittelbar neben dem Shinto-Priester. In dem Augenblick, in dem die Männer den Sarg von dem Rollwagen in die Öffnung schoben, warf sie den Kopf zurück und bändigte ihre von einem Luftzug erfassten Haare mit einer türkisfarbenen Klammer. War es draußen windig und hatte ein Windstoß die Halle erreicht, oder war das der Effekt des Gebläses in dem Kamin über dem Ofen, das den Rauch absaugen sollte?
Zwei völlig verschiedene Storys erklärten das schlechte Ergebnis von D’Wolf Japan. Nach Story eins waren D’Wolf Japan und Toji einfach nicht zusammengewachsen, es existierte kein einheitlicher Marktauftritt. Während die Konkurrenz einen einzigen Vertriebsbeauftragten entsandte, gaben sich bei den Kunden immer noch ein Toji-Mann und einer, der schon seit jeher bei D’Wolf gewesen war, die Klinke in die Hand, das Marketing für die Produkte war nach wie vor das D’Wolf- oder das Toji-Marketing. Gemäß Story zwei war der Alleinschuldige die Stromschienenfertigung bei Toji. Die Firma war einstmals der größte Anbieter für Stromschienen im gesamten asiatischen Raum gewesen, dank günstiger Fertigungsmöglichkeiten hatten die Konkurrenten aus Korea und China jedoch die Vormachtstellung gebrochen. Zum Zeitpunkt, als D’Wolf Toji übernahm, war ein Programm implementiert, das die Schließung fast aller japanischen Werke und die Verlagerung der Produktion nach China vorsah. Doch die Investitionen für die neuen Werke und die Umstellungskosten waren viel höher als geplant, zugleich verringerte sich die Lieferfähigkeit dramatisch, Kunden sprangen ab. Der Vorstand von D’Wolf erzählte Story zwei, Toji sollte im Handstreich ausgegliedert und verkauft werden.
D’Wolf trennte sich selten von Unternehmensteilen, man unterhielt keine spezialisierte Einheit dafür. Nach Toji wurde das anders. Die Ausgliederung von Toji stand zunächst lediglich auf dem Papier, für mehrere Bereiche war noch nicht entschieden, ob sie bei D’Wolf bleiben oder Toji zugeschlagen werden sollten. Es gab keine vernünftige Exit-Story, weder für die Mitarbeiter noch für die Kaufinteressenten. Das Einzige, was es gab, war ein japanischer Finanzinvestor, der es eilig hatte. Kein Wunder, denn der Preis, den D’Wolf verlangte, war ein Scherz, der Vorstand wollte einfach nur ein Problem loswerden. Ich wurde aufgefordert, zwei Mitarbeiter nach Japan zu schicken, die bestätigen sollten, dass die Fabriken von Toji nichts wert waren. Die entsprechenden riesigen Dateien waren von einer japanischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorbereitet worden, meine Mitarbeiter sollten Stichproben machen, wobei
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