Der Überlebende: Roman (German Edition)
geometrischen Elementen auf weißem Grund. Die Haut der Puppe sehr dunkel, die Augen leer, die Stelle des Munds vertrat ein zweites Gesicht, zwei mächtige weiße Zahnreihen unter stechenden silberfarbenen Augen in einem grellroten Antlitz.
Peter und ich sahen uns an, beide hätten wir darauf gewettet, dass der Spieledesigner diese Tür nicht verschlossen hatte, und wir lagen richtig.
Ohne sich umzublicken, ob sie jemand beobachtete, trat Burgi in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Natürlich gab es auch in diesem Raum eine Kamera. Allerdings dauerte es eine Zeitlang, bis Peter sie angesteuert hatte. Der Raum enthielt nicht, wie ich vermutet hatte, die Ausrüstung der Putzkolonne. In Blechregalen stapelten sich Plastikmodelle eines Erkundungsfahrzeugs mit sechs ausgestellten, sehr breiten Rädern, von dessen Korpus mehrere Greifarme weggingen und auf dem ein Kameramast montiert war. Auf dem Boden lagen gerahmte Poster, die alle dasselbe Motiv zeigten: den Olympus Mons auf dem Mars.
Nie sah ich in Los Angeles den Tag. Inmitten von lärmenden Rauchergruppen – die Männer hatten nichtangezündete Zigaretten im Mund, die Frauen wühlten in ihren Handtaschen nach Zigarettenpackung und Feuerzeug – fuhr ich an Dutzenden von Stockwerken vorbei in die Tiefe, um dem großen Patentkrieg im Tagungszentrum des Hotels zu entfliehen.
Es kam mir so vor, als bewegten sich die Gebäude, nicht die Taxis, die mich zu den späten Dinners Downtown brachten. Sie kamen ganz nahe an den Wagen heran, um sich dann wieder weit zu entfernen. Wie Bilder in einer Flüssigkeit mit Strömungen unterschiedlicher Viskosität, die die Lichtstrahlen unterschiedlich brechen. Der sternenlose Nachthimmel schluckte das Licht der Straßenbeleuchtung, damit sich das schwache Licht aus den Fenstern der Gebäude ausbreiten konnte. Die Menschen waren nur aufgestellte Schwarz-Weiß-Bilder. Gab es doch Farben an einem Menschen, gehörten sie nicht zu ihm: Der Mensch war schon fort, aber die Farbe noch dort, wo er eben gewesen war. Manche der Schlieren am Himmel waren so weiß wie Blitze, aber die Blitze blieben still und unbeweglich.
Meine Augen blickten auf den Bildschirm mit Burgi zwischen den übrig gebliebenen Gimmicks der Kampagne für das Projekt Mars, aber in Gedanken war ich zurück in Los Angeles, in der Woche vor der Einweihung des neuen Werks in Leipzig.
Das Neue muss verwaltet werden. Besonders, wenn es gar nicht so neu ist. In der klassischen Elektrotechnik gibt es keine grundstürzenden Innovationen mehr. Die Firmen halten Machtpositionen und sind in erster Linie darauf bedacht, diese nicht einzubüßen.
Alle Einheiten von D’Wolf haben immer so viele Patente wie möglich angemeldet, auch für Produkte, die sie gar nicht herstellen, und für Verfahren, die sie nie anwenden, um die Konkurrenz bei der Produktentwicklung zu behindern. Über alle Bereiche hinweg summierten sich die entsprechenden Ausgaben zu einer dreistelligen Millionensumme, die dem Einkaufsvorstand ein Dorn im Auge war. Wettbewerber ähnlicher Größe wissen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit Patente verletzen. Allein die Menge macht es schwierig herauszufinden, welche Schutzrechte genau betroffen sind. Um den Kontrollaufwand zu begrenzen, schließen die Firmen Patentaustauschverträge ab. In solchen Verträgen sind Hunderte von Schutzrechten berücksichtigt, wer weniger hat, muss Ausgleichszahlungen leisten. Die beim Finanzvorstand angesiedelte Unternehmensplanung argumentierte, D’Wolf müsse handlungsfähig bleiben. Wenn eine Firma für alles Patente anmeldet und die andere gar keines, dann hat diese keinen Handlungsspielraum mehr. Der Einkaufsvorstand konterte, die technischen Produkte würden immer austauschbarer, Lösungen, die echte Exklusivität versprechen, immer wichtiger, deshalb sei es weniger sinnvoll, Patente zu teilen. Etwa die Hälfte der Bereiche war für die bisherige Patentpolitik, die andere Hälfte dagegen. Aus der Sachfrage war ein Machtkampf zwischen dem Einkaufs- und dem Finanzvorstand geworden.
Unser Bereichsleiter wollte es sich weder mit dem Finanzvorstand noch mit dem Einkaufsvorstand verderben, er schickte mich mit einem Kompromiss vor. Lediglich sieben Komma acht Prozent aller Patente unseres Bereichs lassen sich erfolgreich verwerten. Ich schlug vor, die wichtigsten Patente grundsätzlich nach drei Jahren zur Lizenzvergabe freizugeben. Ob ein neues Produkt ein Verkaufsschlager wird, zeigt sich etwa ein Jahr nach der
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