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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Gönner. Er heißt Franz und hat ihm schon eine Eigentumswohnung überschrieben.«
    »Dann ist die Familie sowieso zerrissen. Die Mädchen nehme ich jetzt jedenfalls mit.«
    »Lass sie mich wenigstens am Wochenende sehen!«, flehte Volker verzweifelt.
    »Natürlich.« Ich sah ihm offen ins Gesicht. »Du bist der Vater. Sie haben ein Recht auf dich.«
    Wären die Mädchen nicht gewesen, wäre ich am liebsten für ein Jahr ins Ausland gegangen, um Abstand zu gewinnen. Hauptsache, weit weg! Schließlich hatte die Seherin was von einer langen Reise gesagt. Aber die Kinder mussten ja zur Schule.
    »Barbara«, stieß Volker verzweifelt hervor und schüttelte mich wie einen Münzautomaten, in dem ein Fünfzigcentstück feststeckt. »Ich gebe dir alle Zeit, die du brauchst, um nachzudenken. Aber versprich mir, dass du eines Tages zu mir zurückkommst. Ich war ein schrecklicher Idiot! So etwas Kostbares wie dich zu hintergehen! Ich hab mich einfach hinreißen lassen! Ich wollte dir nicht wehtun! Deshalb habe ich dir nicht die Wahrheit gesagt! Bitte, lass mich doch jetzt nicht allein!«
    Ich stand da wie zur Salzsäule erstarrt. Kalter Wind fuhr mir unter den Mantel. Volker würde nun ganz allein in der großen Villa wohnen. All seine Schufterei und Plackerei diente letztlich einem leeren Luxushaus. Auf einmal tat er mir schrecklich leid. Liebte ich ihn noch, oder hatte ich nur Mitleid? War es nur wieder mein großes Herz, das unter seinen Worten schmolz wie Eis in der Sonne?
    »Ich weiß nicht, ob ich dir verzeihen kann, Volker«, hörte ich mich sagen. Ich atmete ein paarmal tief durch. »Ich brauche wirklich Zeit, um die ganze Sache zu begreifen.«
    »Ich werde dich nie wieder belügen – ich schwör’s!« Volker wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt. »Gib mir bitte noch eine allerletzte Chance, Barbara! Lass es mich dir beweisen!«
    Oh, Gott, ich wollte ihn an mein Herz reißen und ihn trösten! Aber er hatte mich mit Vorsatz belogen. Mir über zwei Jahre Theater vorgespielt.
    Nein. Es ging nicht. Es ging einfach nicht.
    »Nein«, sagte ich leise und ging einfach weg. Er folgte mir nicht. Wahrscheinlich lief hinter meinem Rücken der Abspann. Der bedrückende Film war aus.

24
    C harlotte und Pauline hatten überraschend positiv auf die neue Wohnung reagiert. Mir hatten vor Angst die Beine geschlottert, als ich sie zum ersten Mal in den maroden Aufzug führte. Aber inzwischen hatte der Frühling Einzug gehalten, der Himmel war strahlend blau, und von den Nachbardächern zwitscherten unternehmungslustig die Amseln. Frühlingserwachen, auch für die Mädchen. Sie freuten sich darüber, mitten im prallen Leben zu stehen – und was für ein Zufall: Genau das wollte ich auch.
    »Mama, das ist ja voll cool! Mitten in der Stadt! Da brauche ich ja nur fünf Minuten mit dem Rad zur Schule!«
    »Voll krass, direkt um die Ecke sind die ganzen Geschäfte und Boutiquen!«
    »Mami, dein Lieblingskino ist ja gleich nebenan!«
    »Und das Landestheater!«
    Wehmütig dachte ich an Lisa. Wie stolz ich vor zwei Jahren gewesen war, als ihr Bild im Schaukasten hing! Hatte ich nicht auch furchtbare Fehler gemacht? Ich hatte sie regelrecht in unser Leben hineingezerrt!
    Die Kinder lenkten mich von meinen Selbstzweifeln ab.
    »Und schau mal, das hier wird ein megacooles Shoppingcenter! Meinst du, da kommt H&M rein oder wenigstens New Yorker?«
    »Da kann ich meine Freundinnen aus der Schule problemlos mitbringen! Ist doch okay, Mami, wenn die hier mittags alle zum Essen kommen?«
    »Wenn ihr für sie kocht!«
    »Ja, klar! Du kannst jetzt wirklich aufhören, uns zu bemuttern!«
    Die Vorfreude meiner Töchter auf das Leben in der »Mädels-WG« war so ansteckend, dass auch meine Zweifel verschwunden waren. Sie waren auf einmal richtige Teenager geworden. Ich musste lächeln, wenn ich sie in der Küche stehen und selbstständig kochen sah. Meine zweiwöchige Abwesenheit im Februar hatte meine Mädels zu selbstständigen jungen Menschen gemacht!
    Mithilfe meiner neuen Freunde und Freundinnen aus Justus’ Truppe richteten wir uns in der Wohnung häuslich ein. Jeder steuerte irgendein Möbelstück oder einen Teppich bei, den er erübrigen konnte. Wolfgang, der Große mit dem roten Pullover, schickte mir Schreiner und Elektriker aus seiner Firma, und Walter, der schwerreiche Banker, der plötzlich die Nächstenliebe als wertvollstes Gut entdeckt hatte, dübelte mir eigenhändig Regale an die Wände. Justus’ Söhne schraubten die Glühbirnen

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