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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Abschied. »Wir buchen das nächste Seminar und schicken unsere gesamte Firmenbelegschaft her! Gerade die weiblichen Mitarbeiter brauchen deinen Rat!«
    Ich strahlte, wie ich schon lange nicht mehr gestrahlt hatte. Meinten sie das ernst? Hatte ich wirklich das Zeug zur Seminarleiterin? Hatte ich wirklich genug Charakter und Charisma? Doch eines wusste ich: Man fühlt sich niemals im Leben besser, als wenn man eine Krise aus eigener Kraft gemeistert hat. Die Krise als Chance nutzt. Auch wenn es anfangs unmöglich erscheint. Aber dann geht es doch. Kein anderes Glücksgefühl der Welt reicht an dieses heran.
    »Mama, du glaubst es nicht: Lisa ist wieder da!«
    Die Mädchen saßen wie jeden Sonntagabend, wenn wir uns nach einem langen Wochenende wiedersahen, bei mir auf der weißen Kuschelcouch und berichteten, was im Sonnenblumenweg passiert war.
    Sofort setzte ich mich kerzengerade hin. Hatte Volker nicht beteuert, nur mich zu lieben?
    »Aber ich dachte, sie ist in London?«
    »Papa hat sie zurückgeholt. Er sagt, er braucht eine Frau im Haus.«
    »Na ja, und außerdem hat es mit dem Dirigenten nicht geklappt. Der wollte wohl kein Kind aufs Auge gedrückt bekommen, sondern Karriere machen.«
    »Aha. Und … Fanny? «
    »Boah, Mama, die ist so süüüüß!«
    Sofort zückten beide Mädels ihre Handys und zeigten mir die Fotos, die sie von ihrer Halbschwester gemacht hatten. Mir zog sich vor Liebe und Sehnsucht das Herz zusammen.
    »Guck mal, wie die laufen kann!«
    »Und schau mal, was die Cooles anhat!«
    »Und hier, da sitzt sie schon auf meinem alten Bobbycar!«
    »Die rennt schon auf ihren kleinen, dicken Beinchen durch den Garten und hat vor nichts Angst!«
    »Der Emil hat sie schon mitgenommen aufs Trampolin …«
    Wir steckten die Köpfe zusammen, und ich sah unscharfe Fotos von mehreren Blondschöpfen, die auf dem Trampolin herumsprangen. So hatte es anfangen. Damals. Als Lisa und meine Mädchen bei uns auf dem Trampolin herumsprangen. Und Volker so VEHEMENT gegen die neuen Nachbarn war. Damit wollte er meine Gegenreaktion provozieren! Meinen Beschützerinstinkt wecken! Je mehr Volker damals auf »Abstand« gedrängt hatte, desto mehr hatte ich Lisa an mich herangelassen. Volker kannte mich. Er hatte mich geschickt manipuliert. Alles war Kalkül gewesen! Und jetzt hatte er Lisa zurückgeholt.
    Mich überzog eine Gänsehaut.
    »Und?«, fragte ich bang. »Sind Papa und Lisa jetzt … ein Paar?«
    »Irgendwie schon, Mama. Aber nur, weil du den Papa nicht mehr wolltest.«
    »Und? Sind sie glücklich?«
    »Na ja, die Lisa ist schon voll sauer, dass sie nicht in London bleiben konnte. Ihre Karriere kann sie jetzt an den Nagel hängen, meint sie.«
    Um meine Lippen spielte ein Lächeln. »Hat sie das so gesagt?«
    »Ja! Aber Papa hat gesagt, solange er zahlt, kann er auch bestimmen, wo sein Kind wohnt.«
    »Quatsch! So hat er das nicht gesagt!«
    »Wohl, du blöde Ziege! Er hat gesagt, er will seine Frau und sein Kind bei sich haben. Wozu sonst hat er so ein großes, teures Haus?«
    Ups! Ich registrierte den Rückfall der Kinder in alte Verhaltensmuster, sobald sie ein Wochenende bei ihm verbracht hatten. Außerdem klingelten bei mir ganz leise die Erinnerungsglocken: Hatte Volker damals nicht genau dasselbe zu mir gesagt mit dem Argument, Wiebke habe ihn schließlich im Stich gelassen und er brauche Nestwärme? Weil seine Mutter so kaltherzig und ehrgeizig war und sein Vater ein alter Militarist? Und prompt hatte ich meine Fernreisen aufgegeben und war Touristenführerin in Salzburg geworden. Damit mein armer Volker seine Nestwärme hatte.
    »Mama, die Lisa singt jetzt wieder am Landestheater.«
    »Ah ja?«
    »Und sie lässt fragen, ob es okay ist, wenn sie dich in nächster Zeit mal besucht?«
    »Ähm …« Jetzt war ich wirklich ratlos. Wollte ich Lisa sehen? Wollte ich unsere Freundschaft fortsetzen? Wollte ich … Fanny weiterhin hüten? Die Ärmste konnte nun wirklich nichts dafür, und ich war immerhin ihre Patentante!
    »Ich glaube, ich brauche noch Zeit«, sagte ich. Wenn Lisa sich wenigstens direkt an mich wenden würde, um sich zu entschuldigen oder sich wenigstens auszusprechen. War sie zu feige dafür? Oder zu stolz? Sie konnte doch unmöglich so unverbindlich über die Mädchen um ein Treffen bitten!
    »Na ja, sie haben sowieso ein Au-pair-Mädchen engagiert«, plauderte Pauline drauflos.
    »Eine Russin oder so.«
    »Quatsch, die ist aus der Ukraine.«
    »Also eine Russin. Mama, die will Balletttänzerin

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