Der Überraschungsmann
Sohn, der nur Bridge spielt und ansonsten auf dem Sofa rumhängt, für die Apotheke, damit Wiebke ein eigenes Leben führen kann, und jetzt zahle ich das Medizinstudium für Emil, zahle das zweite Haus ab, damit die gnädige Frau ein schönes Leben hat und mit ihrer Freundin und einem Gläschen Sekt am Schwimmteich herumalbern kann, dann zahle ich das Studium für unsere beiden Töchter, und wenn ich ENDLICH damit fertig bin, soll ich auch noch für ein FREMDES KIND zahlen?« Scharf atmete er aus. »Hört das denn NIE auf?«
Meine Güte, mein armer Mann stand kurz vor einem Burn-out. Ich DURFTE ihn auf keinen Fall noch mehr in diese Sache verwickeln.
»Volker, entschuldige!« Ich umarmte ihn und musste mich schon wieder ganz fürchterlich beherrschen, um ihm nicht mit den Fingern ins Gesicht zu fassen. »Ich bin wirklich zu weit gegangen! Ich könnte mir die Zunge abbeißen!«
Ich blödes Trampel. Warum nahm ich nie Rücksicht auf seine Gefühle? Erst hatte ich ihm Lisa aufgedrängt, und jetzt wollte ich ihm auch noch ihr Kind aufdrängen.
»Vergiss es!«, sagte Volker und ließ die Schultern sinken. »Du meinst es ja nur gut.« Tatsächlich schwammen seine Augen in Tränen. »Aber dein Helfersyndrom kann manchmal ganz schön anstrengend sein.« Mit diesen Worten strebte er zur Tür.
»Wohin gehst du?«
»Lass mich einen Spaziergang machen. Ich muss nachdenken.« Er gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verschwand in der Dunkelheit.
11
L isa schaffte ihre Premiere. Sie schaffte sie sogar sehr gut.
Volker hatte sich ihrer angenommen, hatte lange Gespräche mit ihr geführt, sie mit mentalen Übungen dazu gebracht, sich zu beruhigen, zu konzentrieren, ihr Zwerchfell zu beherrschen. Zum Glück konnte er ihr als Arzt wirklich beistehen. Schließlich besuchte er am Wochenende ständig Seminare über alternative Heilweisen, chinesische Medizin, Akupunktur und solche Sachen. (Ich stieg da schon lange nicht mehr durch, merkte aber, wie viel Mühe er sich gab, als Arzt auf dem Laufenden zu bleiben!) Dass er sich so viel Zeit für Lisa nehmen würde, hatte ich gar nicht zu hoffen gewagt. Sie hatten stundenlang im Fitnesskeller auf Medizinbällen die Angst veratmet, waren in ihr inneres Kind eingetaucht und hatten sich von Ängsten und Unzulänglichkeiten befreit.
Natürlich hatten die Mädchen und ich uns gehütet, sie dabei zu stören. Tagelang waren wir nur noch auf Zehenspitzen durchs Haus geschlichen, hatten geflüstert und alles getan, damit Lisa sich wohl fühlte und entspannen konnte. Leonore war täglich zum Üben gekommen, und ich hatte dafür gesorgt, dass stets gesunde Kost verfügbar war.
Trotz ihres inzwischen sichtbaren Babybäuchleins sang sie eine entzückende (rundliche, aber forsche) Fiordiligi, schaffte die langen Koloraturarien mit Bravour und erntete stehende Ovationen. Zwischenzeitlich belächelte ich die etwas kuriose Handlung. Così fan tutte – So machen es alle! Einander Ko mödien vorspielen, sich betrügen, die Partner tauschen, mit ein paar lächerlichen Masken, die man sich vors Gesicht hielt, um die anderen zu täuschen – nun ja, das war eben Oper. Mit dem wahren Leben hatte das rein gar nichts zu tun. Flüsternd erklärte ich den Kindern die Handlung. Aber Lisa verkörperte ihre Rolle sehr überzeugend. Sie besaß nicht nur musikalisches, sondern auch schauspielerisches Talent. Ihre Schwangerschaft hatte man als Zuschauer ganz schnell vergessen.
Uns allen fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Leonore, Volker, die Kinder und ich weinten fast vor Erleichterung und klatschten uns die Hände wund. Nachher luden Volker und ich zur Premierenfeier. Alle Mitwirkenden – vom Intendanten bis hin zum Beleuchter – feierten bei uns zu Hause bis spät in die Nacht. Leonore bot uns jede Menge Operettenarien dar: »Ich war auch mal gut!«
Als Lisa müde wurde und sich in ihr Häuschen verzog, bewirtete ich die Gäste weiter und freute mich einfach unbändig, dass meine Freundin trotz ihrer Schwangerschaft und der damit verbundenen Ängste und Selbstzweifel so fantastisch gesungen und gespielt hatte. Wir waren alle so stolz auf sie! Wenn doch nur Sven dabei gewesen wäre! Wie sexy sie sein konnte, wie verführerisch, wie raffiniert! Was der Blödmann sich alles entgehen ließ.
Als ich um vier Uhr morgens die Gläser polierte, kam Volker noch einmal zu mir in die Küche. Er hatte gerade die letzten Gäste aus der Auffahrt dirigiert.
»Das haben wir toll hingekriegt.« In seinen Augen
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