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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Stirnrunzelnd hatte er mich gemustert. »Barbara? Ist irgendwas? Liegt dir irgendwas auf der Seele? Was machst du an meinem Computer?« Sanft, aber bestimmt hatte er mich von seinem Stuhl hochgezogen.
    »Volker, du musst Lisa helfen! Die klappt uns noch zusammen!«
    Mit gefasster Miene hatte Volker genickt, wie ferngesteuert. »Ja. Sie ist im Moment sehr labil.«
    »Der Mann hat unsere Lisa nicht verdient«, sagte ich erschüttert. »Sie erst schwängern, dann mit irgendwelchen Hafennutten betrügen und ab mit dem Schiff über alle Berge!«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Das mit den Hafennutten entsprang ja nur meiner regen Fantasie.
    »Na ja, über Berge fahren Schiffe nicht gerade«, murmelte Volker unkonzentriert.
    »Selbst wenn die beiden nicht wieder zusammenkommen sollten …« Ich schüttelte fassungslos den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. »… Zahlen muss er auf jeden Fall. Was wird denn überhaupt aus dem Haus?« Ratlos drehte ich mich um meine eigene Achse. »Das gehört ja wohl ihm? Das Grundstück hat sein Vater ihm vererbt. Aber das Fertighaus muss er ihr doch lassen?«
    Volker drehte sich auf seinem Ledersessel zu mir um. »Ich weiß das alles nicht, mein Herz.«
    »Kommt der denn überhaupt noch mal wieder, der Kerl?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich kenne den Mann doch kaum.«
    »Aber wir lassen Lisa doch jetzt nicht im Stich?«
    »Natürlich nicht!« Volker zog mich zu sich auf den Schoß. »Du kämpfst ja für sie wie eine Löwin!«
    Ich nahm sein vertrautes Gesicht in meine Hände und küsste ihn zärtlich auf die Stirn: »Danke, Liebster. Ich könnte nicht mehr in den Spiegel schauen, wenn wir sie jetzt mit dieser Sache allein ließen.«
    »Ich auch nicht«, sagte Volker und nahm meine Hände. »Bitte nicht ins Gesicht!«
    »Entschuldige. Ich kann mich nicht bremsen, wenn ich dich so sehr liebe.« Was hatte ich nur für ein Glück mit meinem verlässlichen, starken Mann! Der für uns sorgte und alles tat, damit es uns gut ging!
    »Wie gemein von diesem Sven, sich einfach so aus der Verantwortung zu ziehen! Der soll sich mal ein Beispiel an DIR nehmen! Du hast VIER Kinder und kämst nie auf die Idee, dich zu drücken!«
    »Ich dachte, er wäre ein Ehrenmann«, sagte Volker wie zu sich selbst. »Wie sehr man sich in den Menschen doch täuschen kann!«
    »Männer sind Schweine«, zitierte ich Leonore. »Mit Ausnahmen!« Am liebsten hätte ich ihn schon wieder stürmisch umarmt.
    »Seemänner sind Schweine!«, gab Volker lakonisch zurück.
    »Ihre Eltern werden sich wohl auch nicht um sie kümmern«, sagte ich traurig.
    Nachdenklich kratzte Volker sich am Kopf. »Und wenn unsere kleine Nachtigall nicht mehr singen kann, dann geht sie ein.«
    Jedes Mal, wenn ich daran dachte, wie ihre Stimme unter Trä nen gebrochen war, bekam ich eine Gänsehaut. Arme kleine Lisa! Wie sie da gesessen hatte, dieses bemitleidenswerte Häufchen Elend, im Stich gelassen von ihrem Mann, von ihrer Mutter … von aller Welt. Aber NICHT von UNS ! Eine Woge der Zuneigung überkam mich. Plötzlich wusste ich ganz genau, was wir zu tun hatten.
    »Weißt du was, Volker? Wir werden Paten für Lisas Kind. Wir übernehmen die Verantwortung.« Nach einer kurzen Pause fügte ich entschlossen hinzu: »Auch finanziell.«
    Volker fuhr herum. In seinen Augen stand die nackte Angst. »Was hast du da gesagt?«
    »Wir werden Paten! So wie andere ein Patenkind in der dritten Welt haben!«
    »Das ist doch eine völlig idiotische Idee!« Volker sprang auf und stopfte die Hände in die Hosentaschen. »Alles, was recht ist, Barbara! Meinetwegen kümmere dich um das Kind. Hilf der Lisa, steh ihr bei! Aber wenn du mich zwingst, für ein Kind zu zahlen, das mich nichts angeht … Deine Nächstenliebe geht echt zu weit, Barbara!« Mit großer Geste schlug er sich an die Brust: »Ich zahle mich auch so schon dumm und dämlich für die anderen Kinder!«
    »Welche anderen Kinder …«
    » MEINE vier Kinder!«, rief er mit rotfleckigen Wangen.
    »Wir haben doch davon geträumt, mehr Zeit für uns zu haben, wenn die Kinder größer sind …«
    »Ich weiß.« Sofort tat es mir leid. Ich hatte ihn überfordert mit meiner übertriebenen Nächstenliebe. Er HATTE mich gewarnt.
    »Du hast gesagt, wir gehen bergsteigen, wandern und skifahren. Wir werden die Welt bereisen!«, sprudelte es nur so aus Volker heraus. »Mein ganzes Leben lang habe ich nur gezahlt«, jammerte er. »Für Wiebke, für das erste Haus, für meinen nichtsnutzigen Herrn

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